1909
Die Regierungen des Deutschen Reichs und Frankreichs finden in Berlin einen Kompromiß zur Beilegung der Marokko-Krise: Deutschland erkennt die Vormachtstellung Frankreichs in Marokko an, erhält aber die Zusicherung wirtschaftlicher Gleichberechtigung in der Region. Marokko bleibt formell ein souveräner Staat.
1909
Im Reichstag fordern Abgeordnete der Zentrumspartei die Abschaffung der "schwarzen Listen", auf denen Arbeitgeber die Namen mißliebiger Arbeiter notieren. Damit soll den Arbeitern die Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses erschwert werden. Der Antrag des Zentrums wird abgelehnt.
1909
In Hamburg wird der 9. Internationale Zionistenkongreß eröffnet. Im Mittelpunkt der Diskussionen der über 600 Teilnehmer aus aller Welt steht die Forderung nach einem unabhängigen jüdischen Staat in Palästina.
1909
In Berlin wird der "Hansabund zur Vertretung der Interessen von Handel, Gewerbe und Industrie" gegründet. Der Hansabund tritt vor allem für freien Wettbewerb auf den internationalen Märkten ein. Die erste Fluggesellschaft der Welt, die "Deutsche Luftschiffahrt-Aktiengesellschaft" (Delag), wird in Frankfurt am Main gegründet.
1909
Peter Behrens baut die Turbinen-Montagehalle der AEG in Berlin; Uraufführung von Richard Strauss' »Elektra« in Berlin.
1910
Im Deutschen Reich werden auf Betreiben des Arbeitgeberbundes 160.000 Bauarbeiter ausgesperrt. Sie fordern lokale Tarifverträge, Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung. In Hamburg Streik von 10.000 Werftarbeitern um höhere Löhne, dem sich auch ein Großteil der Belegschaften der Bremer Werften anschließt. Der Ausstand dauert bis Oktober und endet mit einem Teilerfolg der Streikenden. Im Berliner Arbeiterbezirk Moabit kommt es im Zusammenhang mit einem Lohnstreik von Kohlenarbeitern zu mehrtägigen Straßenschlachten mit der Polizei, die sich schützend vor Streikbrecher gestellt hatte. Der Deutsche Juristentag in Danzig lehnt einen Antrag auf Abschaffung der Todesstrafe mit 50 gegen 24 Stimmen ab.
1910
Durch den Zusammenschluß der Freisinnigen Volkspartei, der Freisinnigen Vereinigung und der Deutschen Volkspartei Deutschen Volkspartei (DVP) entsteht in Berlin die Fortschrittliche Volkspartei. Zu den führenden Köpfen der neuen Partei, die sich zu den traditionellen Forderungen des deutschen Liberalismus bekennt, gehören Friedrich Naumann, Friedrich von Payer (1847-1931) und Otto Fischbeck.
1910
Das dritte deutsche Marinegeschwader wird gebildet. Laut Flottengesetz soll die Hochseeflotte bis 1917 vier Geschwader umfassen. Im Reichstag beginnt die Debatte um das neue "Friedenspräsenzgesetz", das den Aufbau eines Eisenbahn-, eines Telegraphenbataillons und dreier Luftschiffkompanien vorsieht.
1910
Im Preußischen Landtag wird die 1908 angekündigte Reform des Dreiklassenwahlrecht vorgestellt. Der Wahlgesetzentwurf hält am Dreiklassenwahlrecht und an der alten Wahlkreiseinteilung fest, lediglich Wählern mit Hochschulabschluß, ehemaligen Offizieren und "Kulturträgern" soll das Aufrücken in eine höhere Wahlrechtsklasse ermöglicht werden. Frauen sollen weiterhin von Wahlen ausgeschlossen bleiben. In zahlreichen Städten Preußens demonstrieren Hunderttausende gegen die Wahlrechtsreform. Es kommt zu Zusammenstößen mit der Polizei.
1910
Nobelpreise erhalten der Chemiker Otto Wallasch, der Medizinforscher Albrecht Kossel und der Schriftsteller Paul Heyse. In Berlin wird mit großem Erfolg die Sophokles-Tragödie "Ödipus" in der Inszenierung von Max Reinhardt uraufgeführt. Die erste Ausgabe der expressionistischen Zeitschrift "Der Sturm" als "Kampfzeitschrift für moderne Kunst", herausgegeben von Herwarth Walden, erscheint. Rudolf Hilferding veröffentlicht "Das Finanzkapital". Berliner Architekten schreiben sich einen Wettbewerb für einen neuen Generalbebauungsplan für Berlin aus. Die Zurückweisung von 27 Künstlern durch die Jury der Berliner Secession führt zur Gründung der "Neuen Sezession";
1910
Der Ingenieur und Flugpionier August Euler erhält den ersten Flugzeugführerschein des Deutschen Reichs.
1911
Der Deutsche Reichstag verabschiedet eine Verfassung und ein Wahlgesetz für Elsaß-Lothringen, außerdem die Reichsversicherungsordnung. Mit ihr werden die aus der Bismarck-Zeit stammenden Sozialgesetze wesentlich erweitert. Rund 200.000 Menschen demonstrieren im Treptower Park bei Berlin für die Erhaltung des Friedens. Zu der bis dahin größten Antikriegskundgebung in Deutschland hatte die SPD aufgerufen.
1911
Die Operette "Hoheit amüsiert sich" von Rudolf Nelson und letzte Hollaender-Revue "Die Nacht von Berlin" im Metropol-Theater; von Max Epstein erscheint "Das Theater als Geschäft"; ab März erscheint die Zeitschrift "Die Aktion", hrsg. von Franz Pfemfert; Herwarth Walden verwendet den Terminus "Expressionismus" und versteht darunter alle deutschen und ausländischen fortschrittlichen Richtungen; Lovis Corinth wird zum Vorsitzenden der Berliner Secession gewählt.
1911
In Berlin wird die von Wilhelm II. initiierte "Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften" (heute: Max-Planck-Gesellschaft) gegründet. Die Forschungsinstitute werden auf dem Gelände der Domäne Dahlem errichtet.