1840: Der neue König enttäuscht die in ihn gesetzten Hoffnungen
Seit 1797 ist der von Friedrich Engels als „unsäglicher Holzkopf“ bezeichnete Friedrich Wilhelm III., als Alleinherrscher Preußen regierend, immer noch voller Furcht, dass eine Revolution seine Herrschaft „von Gottes Gnadentum“ in Frage stellen könnte.
Als er 1840 stirbt, ist sein schon im Jahre 1815 abgegebenes Versprechen, den Staat mit einer verfassungsgebenden Versammlung in eine konstitutionelle Monarchie umzuwandeln, noch immer nicht eingelöst.
Die Trauer in Preußen ist kurz, alle Hoffnungen ruhen auf dem inzwischen 45jährigen Thronfolger Friedrich Wilhelm IV.
Die Liberalen erwarten von ihm die Erfüllung ihrer Wünsche nach politischer Freiheit in Preußen und politischer Einheit in Deutschland. Anders als sein Vater ist der neue König vielseitig gebildet und künstlerisch interessiert.
So wird seine Thronbesteigung vom preußischen Bürgertum äußerst begrüßt. Zudem sieht man im Zeitpunkt des Ereignisses ein gutes Omen für die Zukunft: genau einhundert Jahre früher bestieg Friedrich der Große den Thron, genau zweihundert Jahre früher war der Regierungsantritt des „ Großen Kurfürsten“.
Doch auch er erfüllt die auf ihn als König von Preußen gesetzten Erwartungen nicht. Seine geistige Grundhaltung erweist sich von einer christlich-altständischen Staatsauffassung geprägt, die sich auf das Gottesgnadentum des Herrschers beruft. Heinrich Heine spöttelt von Paris aus:
Ich hab ein Faible für diesen König. Ich glaube, wir sind uns ähnlich ein wenig. Ein vornehmer Geist, hat viel Talent. Auch ich, ich wäre ein schlechter Regent.
Einzelne Maßnahmen Friedrich Wilhelms zu Beginn seiner Herrschaft – wie die Rehabilitierung des nach den Karlsbader Beschlüssen suspendierten Bonner Gelehrten Ernst Moritz Arndt – bleiben Einzelfälle. Auch sein Kabinett, das weiterhin dem ineffektiven Kollegialsystem verbunden bleibt, verleiht keine neuen Impulse. Den nachhaltigsten Einfluss auf den König übt eine überwiegend konservative Hofkamarilla aus, und die Parlamente repräsentieren weiterhin die altständische Herrschaftsordnung.
Die Schriftstellerin Bettina von Arnim versucht, dem König die Augen zu öffnen für das soziale Elend in Berlin. "Dies Buch gehört dem König" betitelt sie die erste sozialkritische Veröffentlichung in Preußen, die auf Recherchen vor Ort beruht - heute würde man so etwas eine Feldstudie nennen. Der König schreibt freundlich zurück. Das war's.
Dennoch tat der neue König etwas noch nie da gewesenes: Er hielt als erster Monarch öffentliche Reden! Zwar nicht programmatische Absichtserklärungen, mehr schwülstige Deklamationen, aber dennoch versuchte ein jeder das Seinige für sich heraus zu hören.
Die „Berliner Schnauze“ aber nannte ihren neuen König, im Unterschied zum tumb wortkargen Verflossenen nicht „hochseliger König“, sondern sehr bald schon: „Unser hoher Redseliger!“