Rascher Wechsel auf dem Thron: das „Dreikaiserjahr“ 1888
Am 9. März 1888, 13 Tage vor seinem 91. Geburtstag und im 28. Jahr seiner Regentschaft stirbt Wilhelm I. Vom 12. bis 16. März ziehen 200.000 Trauernde am einbalsamierten Leichnam des Kaisers vorbei, der im Berliner Dom aufgebahrt ist.
Sein politisches Testament ist nicht ohne Selbstkritik:
„Die Dinge sind nun einmal so geworden. Gott soll wissen, dass ich sie nicht herbeigesehnt habe, wenn ich sie auch gemacht habe.“
Nur 99 Tage ist Friedrich III. deutscher Kaiser und König von Preußen. Am 15. Juni 1888 stirbt er im Alter von 57 Jahren in Potsdam an Kehlkopfkrebs. Nachfolger auf dem Thron wird sein Sohn, Wilhelm II.
Friedrich, ein Hohenzoller von liberaler Gesinnung, ist vor allem ein Bewunderer der britischen Verfassung, nicht zuletzt durch seine Frau, Prinzessin Viktoria von England. Seine politischen Ansichten führen zwangsläufig zum Konflikt mit den konservativen, anti-parlamentarischen Auffassungen des Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck. Dieser bleibt wie selbstverständlich im Amt, dass er schon seit einem viertel Jahrhundert innehat. Friedrich III. ist zu schwach für maßgebliche politische Entscheidungen, vom ersten Tag seiner Regentschaft leidet er unter ständigen Siechtum. Er ist ein müder und kranker Mann, der einmal am Tag in einem Ponywagen durch den Charlottenburger Garten gefahren wird. Er macht keinerlei Anstalten, eine modernere Verfassung vorzubereiten, sein Aufruf „An mein Volk“ enthält keinerlei Hinweise, dass sich etwas ändern wird.
Dennoch war Kaiser Friedrich III. für alle Liberalen ein großer Hoffnungsträger. Mit seinem Tod scheint die Aussicht auf einen freiheitlichen Ausgleich innen- wie außenpolitisch in weite Ferne gerückt. Der Philosoph Friedrich Nietzsche kommentiert den Tod als „großes entscheidendes Unglück für Deutschland“ .
Es folgt auf dem Thron der „deutscheste“ aller Kaiser des zweiten Reiches: Wilhelm II.
Er führt zwar noch den Titel „König von Preußen“, aber ansonsten widmet er sich voll und ganz seinem Image als siegreicher Herrscher eines vereinten Deutschland.
Wilhelm II. neigt zu pompösen Auftritten, zu einer Großmäuligkeit, die auf erhebliche Selbstüberschätzung schließen lässt. Schon seine Eltern mussten frühzeitig charakterliche Schwächen beim Kronprinzen ausmachen. Als Wilhelm im Auswärtigen Amt hospitiert, schreibt sein besorgter Vater in einem Brief an den Reichskanzler:
„... verbunden mit einem Hang zur Überhebung und zur Überschätzung muß ich es geradezu für gefährlich halten, ihn jetzt schon mit auswärtigen Fragen in Berührung zu bringen.“
Schon lange vor dem frühen Tod des Vaters hatte Wilhelm kein Hehl daraus gemacht, dass es unter seiner Regentschaft ganz und gar anders zugehen wird, dass liberalen, gar sozialistischen Gedanken keine Chance haben werden. Seine politischen Ziele sind auf die Erhebung des deutschen Reiches zur Weltmacht gerichtet.
Die Berliner Schnauze wird später die Abfolge der drei Hohenzollern-Herrscher, die die wilhelminische Zeit von der Gründung des Deutschen Reiches bis zur Katastrophe des Ersten Weltkrieges repräsentieren, mit deftigen Worten umschreiben:
“Der greise Kaiser, der weise Kaiser und der Scheiße-Kaiser“.
Das Dreikaiserjahr 1888 brachte für Bismarck´s preußisch-deutsche Reichsschöpfung den Anfang vom Ende. Golo Mann schreibt im Jahr 1958:
„Alles, was Bismarck zu verhindern oder aufzuschieben versucht hatte, das Schlimmste, was er fürchtete, kam schließlich doch: Weltkriege, Weltrevolution, die buchstäbliche Vernichtung seines Staatsidols, so dass die Jugend, die heute heranwächst, den Namen Preußen kaum mehr kennt.“