Georg Wilhelm Friedrich Hegel
27.8.1770 in Stuttgart
14.11.1831 in Berlin
Der preußische Staatsphilosoph war ein Schwabe, geboren am 27. August 1770 in Stuttgart als Sohn des Rentkammersekretärs Georg Ludwig Hegel, dessen protestantische Vorfahren aus Österreich in das lutherische Württemberg abgewandert waren. Georg Wilhelm Friedrich wuchs in einer protestantisch-pietistischen Umgebung auf. Der älteste Sohn von insgesamt drei Kindern wurde früh und nachhaltig gefördert. Nach dem Abitur immatrikulierte sich Hegel 1788 an der Universität Tübingen im Fach Theologie und wohnte als herzoglicher Stipendiat im Evangelischen Stift, wo er sich 1790 mit Friedrich Hölderlin und Friedrich Joseph Wilhelm Schelling befreundete. Gemeinsam hofften die Freunde auf eine Revolution auch in Deutschland, wobei die Philosophie mit den Mitteln der “restlosen Aufklärung“, den Umsturz vorbereiten sollte, für den in der politischen Realität noch alle Voraussetzungen fehlten. Im Herbst 1793 legte Hegel seine Magisterprüfung und die theologische Konsistorialprüfung ab und trat zunächst in Bern, 1797 in Frankfurt/Main eine Stelle als Hauslehrer an. Während er von Bern aus in der Korrespondenz mit Schelling und Hölderlin noch die schärfste Kritik fomulierte, meinte, “Politik und Religion haben unter einer Decke gespielt, jene hat gelehrt, was der Despotismus wollte“, und hoffte, “dass der Nimbus um die Häupter der Unterdrücker und die Götter der Erde verschwindet“, begann er in Frankfurt die für seine dialektische Methode wesentlichen Kategorien der “Entfremdung“ und der “Aufhebung“ zu entwickeln. Unter Aufhebung des Entfremdeten verstand Hegel nicht die Aneignung der Wirklichkeit, wie sein späterer Schüler Marx, sondern die Wiederaneignung im Bewusstsein, die Versöhnung des Individuums mit der sozialen und politischen Realität. Entsprechend änderte sich auch die Vorstellung Hegels von der Philosophie. Ihre Aufgabe beschränkte sich fortan darauf, das Bestehende zu erkennen und zu beschreiben. Man kann deshalb sagen, dass Hegel eine konservative Wende nicht erst im preußischen Staatsdienst, sondern bereits in seiner frühen Frankfurter Zeit vollzogen hat, und dass diese Wende – Ironie der Theorie – mit seiner Ausbildung der Dialektik zusammenfällt.
Nach dem Tod seines Vaters (1799) gelangte Hegel in den Besitz eines kleinen Vermögens, das es ihm erlaubte, 1800 nach Jena zu gehen, um sich zu habilitieren. Nachdem ihm 1801 die Venia legendi erteilt worden war, las er als Privatdozent über Metaphysik, Logik und Philosophiegeschichte. 1803 wurde der ebenfalls in Jena lehrende Johann Gottlieb Fichte wegen “Atheismus“ seiner im “Philosophischen Journal“ erschienenen Aufsätze angeklagt und musste Jena verlassen. Ihm folgten aus Unmut über seine Entlassung Schlegel, Tieck, Schelling, Schiller und andere, Hegel blieb. Doch erst im Februar 1805, nachdem Hegel schon ein Jahr zuvor an die Adresse Goethes einen Bittbrief mit dem Hinweis, dass er der älteste aller Privatdozenten in Deutschland sei, geschrieben hatte, wurde er zum a.o. Professor ernannt. Noch ein Jahr dauerte es, bis ihm eine Besoldung, wenn auch nur von 100 Talern im Jahr, zugestanden wurde.
In Jena hat Hegel eines der schönsten Bücher der Philosophiegeschichte geschrieben, die “Phänomenologie des Geistes“ , die ursprünglich “Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins“ heißen sollte. Er hatte das Manuskript noch nicht ganz fertig, als napoleonische Truppen am 13. Oktober 1806 die Stadt einnahmen. Die Soldaten begannen zu plündern und sich auch in Hegels Wohnung einzuquartieren, so dass er schließlich zu einem Bekannten flüchten musste, doch hat das seiner Bewunderung für Napoleon keinen Abbruch getan. Weil aber der universitäre Betrieb unter der Besatzung zum Erliegen kam, ergriff Hegel die nächstbeste Gelegenheit und ging im März 1807 nach Bamberg, wo er als Redakteur der „Bamberger Zeitung“ arbeitete, bis er im Dezember desselben Jahres Rektor des Nürnberger Egidien-Gymnasiums und damit bayerischer Staatsbeamter wurde. Als offener Parteigänger Napoleons hatte er keine Schwierigkeiten, einem Staatswesen zu dienen, das dessen Bundesgenosse war, dennoch sah er im „unaufgeklärten“ katholischen Bayern den „wahren Tintenklecks im Lichttableau von ganz Deutschland“. Er konnte sich jedoch den Lehrplan selbst gestalten und unterrichtete “Psychologie“, “Phänomenologie und Logik“, “Enzyklopädie“, “transzendentale und subjektive Logik“.
1811 heiratete Hegel die zwanzig Jahre jüngere Nürnbergerin Marie von Tucher und schrieb die “Wissenschaft der Logik“ . Hegel versprach sich von der „dunklen Brühe aus jenem vaterländischen Kaffee“ nichts Gutes und blieb auch nach den Befreiungskriegen ein Bewunderer Napoleons. 1816 erfolgte seine Berufung an die Universität Heidelberg. Hegel wäre lieber nach Berlin gegangen, zumal dort Fichtes Lehrstuhl seit dessen Tod 1814 unbesetzt geblieben war. Doch aus Berlin kamen Bedenken, „da Sie nämlich nun schon seit einer bedeutenden Reihe von Jahren nicht akademische Vorträge gehalten, auch vorher nicht lange akademischer Lehrer gewesen sind“, wie das Ministerium schrieb.
In Heidelberg knüpfte Hegel in seiner Antrittsvorlesung am 28. Oktober 1816 an die veränderten Verhältnisse nach Napoleons Verbannung nach St. Helena und den Abschluss des Wiener Kongresses mit den einleitenden Worten an: “Weil der Weltgeist in Wirklichkeit so sehr beschäftigt war, konnte er sich nicht nach innen kehren und sich in sich selbst sammeln. Nun, da dieser Strom der Wirklichkeit gebrochen ist, da die deutsche Nation sich aus dem Gröbsten herausgehauen, da sie ihre Nationalität, den Grund alles lebendigen Lebens gerettet hat: so dürfen wir hoffen, daß (...) dem politischen und sonstigen an die gemeine Wirklichkeit gebundenem Interesse auch die Wissenschaft, die freie vernünftige Welt des Geistes wieder emporblühe“. Darin ist bereits angedeutet, wie sich Hegel zu der weiteren politischen Entwicklung verhalten würde. Die sich in den Burschenschaften formierende demokratische Opposition, die die Schaffung eines Nationalstaates forderte, unterstützte er nicht. Nachdem Kollege Jacob Friedrich Fries 1817 wegen einer Rede, die er auf dem Wartburgfest gehalten hatte, von seinem akademischen Posten suspendiert worden war, verteidigte Hegel die Maßnahme, und meinte, Fries habe “sich nicht entblödet, bei einer feierlichen, berüchtigt gewordenen Gelegenheit in einer Rede über den Gegenstand von Staat und Staatsverfassung (alles) in den Brei des Herzens, der Freundschaft und Begeisterung zusammenfließen zu lassen“. Diese Meinung Hegels erschien gedruckt zwar erst 1821 in seiner Vorrede zu den “Grundlinien der Philosophie des Rechts“, war jedoch schon vorher von ihm vertreten und bekannt. Als Friedrich Wilhelm III. im November 1817 ein eigenes “Ministerium für die Geistlichen-, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten“ geschaffen und Karl Freiherr von Altenstein zum preußischen Kultusminister bestimmt hatte, ging der sofort daran, Hegels Berufung nach Berlin einzuleiten, und als Hegel Ende des Sommers 1818 in Berlin ankam, hatte er dort nicht nur zukünftige Freunde, sondern auch Gegner zu erwarten. Zu den berühmtesten gehörte der damalige Rektor der Berliner Universität selbst, der Theologe Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher.
Hegel kam in seiner Antrittsvorlesung am 22. Oktober 1818 auf die Rolle Preußens zu sprechen, seine frühere Abneigung war einer Bewunderung gewichen, er lobte die preußische Regierung, der es gelungen war, die politischen Kräfte zum Wohl des Ganzen zu mobilisieren und den Staat vor dem Untergang zu bewahren. Man kann sagen, dass Hegel, der auch in seinen Vorlesungen den schwäbischen Dialekt nie aufgegeben hat, in dem Moment, wo er in den preußischen Staatsdienst eintrat, auch gleich ein Preuße wurde. Er hatte Erfolg in Berlin. Seine Vorlesungen gehört zu haben, galt bald als besondere Empfehlung, nicht nur für künftige Dozenten und Lehrstuhlinhaber, sondern auch für preußische Beamte, vor allem für Juristen. Stolz vermerkte Hegel: “Hier kommt man sogar dazu, Majores, Obristen, Geheime Räte unter seinen Zuhörern zu haben.“ Im Juni 1820 ernannte das Ministerium Hegel zum ordentlichen Mitglied der “Königlichen wissenschaftlichen Prüfungskommission der Provinz Brandenburg“, deren Aufgabe es war, die studierwilligen Abiturienten einer Zulassungsprüfung zu unterziehen. Dieses Amt war mit einigem Ansehen verbunden und zeigt, wie sehr die Regierung Hegel schätzte. 1829 wurde er zum Rektor der Universität ernannt und hielt eine Antrittsrede, in der er den Studierenden den richtigen Gebrauch der akademischen Freiheit ans Herz legte und sie vor Missbrauch und Zügellosigkeit warnte. Als 1830 nach der Juli-Revolution in Paris die nationalen Einigungsbestrebungen auch in Deutschland wieder auflebten, sank sein inneruniversitärer Stern etwas, weil die Studenten es vorzogen, zu seinem Schüler Eduard Gans zu gehen, der so aktuelle Vorlesungen hielt wie “Die Geschichte der Restauration in Preußen von den Anfängen bis heute“. Ohne Zweifel aber war es Hegel, dem die größere Wirkungsgeschichte seines Werkes beschieden war. Er starb am 14.11.1831 in Berlin “an Cholera in ihrer concentrirten und darum in den Symptomen nach Außen hin weniger schrecklichen Form“. Hegel wurde in Berlin auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof neben Fichte beigesetzt.