9. Juni 1815 Der Kongress tanzt - Europa in Wien neu aufgeteilt - Preußen wird mächtiger
„Der Kongress tanzt!“ Als geflügeltes Wort ist der Wiener Kongress bis heute in aller Munde. Die politischen Ereignisse spielen in den ersten Wochen des Kongresses nur eine Nebenrolle. Die Hofgesellschaften Eurpoas überbieten sich in Überfluss und rauschenden Ballnächten. Und das alles während das Volk hungert. Böse Zungen äußern über die Vorgänge im Schloss Schönbrunn in Wien:
„Der König von Württemberg frißt für alle, der König von Bayern säuft für alle und der Zar von Rußland liebt für alle!“
Die Herrscher der meisten europäischen Staaten sind in Wien versammelt. Zar Alexander und Friedrich Wilhelm III., viele andere Fürsten und eine große Zahl von Staatsmännern haben sich eingefunden. Preußen ist auch durch Hardenberg und Wilhelm von Humboldt vertreten, Österreich durch Metternich, das nach-napoleonische Frankreich der Bourbonen durch den wendigen Diplomaten Talleyrand. Schon bald weiß dieser die Uneinigkeit der Verbündeten geschickt auszunutzen und gewinnt großen Einfluss.
Metternich, der österreichische Staatskanzler bringt die Interessen der anwesenden Herrscherhäuser auf den Punkt. Ihm war es völlig klar, dass der Geist der patriotischen Erhebung der Befreiungskriege „zu ernsten Betrachtungen und Besorgnissen für die Zukunft“ Anlass geben konnte. Ihm war es darum zu tun, zu verhüten, dass
„der Sturz eines auf Revolution gegründeten Despotismus nicht anstatt einer wirklichen Restauration abermals zur Revolution zurückführe.“
Über viele Wochen wird aber mehr gefeiert als verhandelt. Am 1. März 1815 schlägt jedoch eine Nachricht ein wie eine Bombe: Napoleon Bonaparte ist aus Elba zurückgekehrt und marschiert mit seinen Getreuen auf Paris! (Drei Wochen später zieht er unterm Jubel der Bevölkerung in Frankreichs Hauptstadt ein. Natürlich dauert es nur Tage, und er schlägt wieder gegen seine alten Feinde los.)
Der Kongress ist aufgeschreckt, schmiedet ein neues Militärbündnis und besiegt mit den Armeen Blüchers, Wellingtons und viel Glück Napoleon endgültig. Dieser erlebt sein Waterloo. Wo? Natürlich in Waterloo.
Das Tanzen ist der Wiener Gesellschaft gründlich vergangen und man setzt flugs Unterschriften unter die „Kongressakte“: Mit der Folge, dass sich die preußische Landkarte ziemlich verändert:
Im Osten kommt die neue Provinz Posen hinzu, andere Landstriche gehen dort an Russland verloren. Bedeutungsvoller die Neugewinne im Westen: Teile Westfalens und des Rheinlandes sind nun preußisch! 150 Einzelterritorien schmelzen zur neuen Provinz Rheinland zusammen. Die preußische Militärmacht übernimmt die „Wacht am Rhein“.
Mit der Einordnung der neuen Westgebiete, die überwiegend frankophil orientiert und viel stärker industrialisiert sind, ist ein großer Teil der innerpreußischen Konflikte des 19. Jahrhunderts vorgegeben.