Karte 1803

Burschenschaften

National-liberale studentische Bewegung, die von Teilnehmern der Befreiungskriege gegen Napoleon initiiert wurden und deren Ziel die Schaffung eines deutschen Nationalstaats war. Meist christlich orientiert, doch gab es bis 1933 auch jüdische Verbindungen. Daß es sich in Anfängen um ehemalige Mitglieder des Lützow’schen Freikorps handelte, denen der Kampf gegen den übermächtigen französischen Gegner nachträglich zur Geburtsstunde eines deutschen Nationalgefühls wird, ist kein unwesentliches Element. Zu den Ideengebern und Gründungsvätern der Burschenschaften als neuer studentischer Bewegung gehörten neben den deutsch-patriotischen Dichtern Karl Theodor Körner (1791-1813), Ernst Moritz Arndt (1769-1860) und Ludwig Uhland (1787-1862) auch die Turnpädagogen Karl Friedrich Friesen (1784-1814) und Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), dessen Schrift "Deutsches Volkstum" das volkstümliche Turnen von Beginn an mit einem glühenden Patriotismus verband. Friesen arbeitete 1811 eine Denkschrift "Ordnung und Errichtung der deutschen Burschenschaften" aus, worin er "einen neuen zeitgemäßen Typ von Studentenverbindungen" aufzeigte. Hier fällt zum ersten Male der Begriff Burschenschaft. Bereits 1814 kommt es in Halle zur Gründung einer ersten Vorform von Burschenschaft, der späteren Teutonia, mit dem Wahlspruch "Freiheit, Ehre, Vaterland" und mit den drei Farben des Lützower Freikorps (schwarze Röcke mit roten Aufschlägen und goldenen Knöpfen), die als Dreifarbband getragen werden. Es folgte Jena 1815 (das heute von den meisten Burschenschaften als der Anfang ihrer Bewegung angesehen wird) und bald zählten auch Berlin, Göttingen, Heidelberg und Bonn zu den Städten, in denen Burschenschaften gegründet wurden. Folgenreiche Ereignisse in der Gründungsgeschichte der Burschenschaften sind das Wartburgfest 1817, zu dem sich Burschenschaftler aus fast allen Universitäten, auch aus Wien, auf der Wartburg bei Eisenach treffen, und das Hambacher Fest 1831, auf dem die Uniformfarben der Lützower Freischar Schwarz-Rot-Gold erstmals als Volksfarben gefeiert und anschließend von der Frankfurter Bundesversammlung auf Veranlassung Metternichs verboten wurden. 1818 erfolgte die Gründung der "Allgemeinen Deutschen Burschenschaft“, der ersten gesamtnationalen politischen Organisation der Studenten in Deutschland, die bei der Durchsetzung der demokratischen und freiheitsfordernden Ziele in der Öffentlichkeit eine besondere Rolle zu spielen gedachte. Einer der Gründer, Heinrich von Gagern, Heidelberger Burschenschaft, schrieb stolz an seinen Vater: "Auch wir Burschen haben jetzt einen Bundestag, der vielleicht in seiner Art mehr tut wie der Bundestag in Frankfurt". Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 konnten die Burschenschaften ihre Ziele erreicht sehen und verloren an politischer Bedeutung. Sie erstarrten zunehmend in völkisch-nationaler Gesinnung und stärkten in der Weimarer Republik vor allem die rechten Kräfte. 1933 erfolgte die freiwillige Selbstauflösung der Burschenschaften mit anschließender Übernahme ihrer aktiven Mitglieder in die Kameradschaften des NSDStB bzw. der Altherrenschaften in den NSDAHB und die "Nationalsozialistische Studentenkampfhilfe“. Einschneidende Repressalien durch Gestapo und SS mußten jene Corporationen befürchten, deren Mitglieder monarchistisch bzw. legitimistisch gesinnt waren, jene, die weiterhin zu ihren jüdischen bzw. jüdischstämmigen Mitgliedern standen bzw. jüdische Corporationen überhaupt. Nach 1945 und dem Nachweis ihrer Entnazifizierung haben sich viele Burschenschaften unter Anknüpfung ihrer Tradition vor 1933 neu gründen können. Wie schon das in der Aufklärung verkündete Weltbürgertum als unnatürlich abgelehnt wurde, um "die Reinheit der deutschen Sprache, die Ehrbarkeit der deutschen Sitten, die Eigenart deutschen Brauchs, überhaupt alles zu fördern, was Deutschland groß und stark ... machen konnte", so verneinen sie jeden kosmopolitischen Ansatz, der ihnen die meist von den Vätern ererbten akademischen Vorteile, die ihnen die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft bringt, streitig machen könnte. Jüdische Corporationen gibt es nicht mehr; offenbar hat die Shoa zu wenige Corporierte für die nachhaltige Reaktivierung des jüdisch-akademischen Corporationslebens überleben lassen.