30. Dezember 1812: Tauroggen - Ein Hochverrat wird Fanal nationaler Erhebung
Weihnachten 1812 nähert sich eine russische Armee Ostpreußen. Bei Tauroggen, an der litauischen Grenze, stößt sie auf ein preußisches Hilfskorps, das per Vertrag mit den napoleonischen Truppen verbunden ist. Doch statt eines Scharmützels gibt es ist ein freudiges Wiedersehensfest, denn an der Spitze der Russen reiten der kommandierende General Graf Diebitsch aus Groß-Leipe in Schlesien und der Generalinspekteur Freiherr vom Stein aus Berlin, und sie erkennen mit großer Freude in dem Kommandeur der Preußen ihren alten Freund Graf Yorck von Wartenburg aus Potsdam. Die Militärs, sämtlichst preußischer Schule, finden sich in einer alten Mühle des Dorfes Poscherunen bei Tauroggen, ca. 30 km nordöstlich der Stadt Tilsit zusammen und schmieden einen geradezu ungeheuerlichen Plan: Auf eigene Faust soll der preußische Heerführer Graf Yorck zu den Russen unter Diebitsch und Stein überlaufen und gemeinsam soll es nunmehr gegen den Feind Napoleon gehen. Das ist Hochverrat, doch zugleich ein Plan zur Befreiung Preußens von der napoleonischen Fremdherrschaft!
Yorck enthebt seine Soldaten ihrer Pflicht gegen Napoleon, entbindet sie des Eides gegen den König und „neutralisiert“ sie. Am 30. Dezember 1812 wird die denkwürdige „Konvention von Tauroggen“ geschlossen.
Yorck beordert sofort einen Kurier nach Berlin, um dem preußischen König seinen Hochverrat ordnungsgemäß zu melden. Friedrich Wilhelm III. enthebt seinen Truppenchef General Yorck des Kommandos, was dieser aber nur aus der Zeitung erfährt und nicht nur deshalb nicht zur Kenntnis nimmt:
„Ich werde daher um so unbedenklicher fortfahren, das General-Kommando des Korps und andere Funktions usw. auszuüben, da bekanntlich im preußischen Staat eine Zeitung kein offizielles Staatsblatt ist, und bis jetzt noch kein General seine Verhaltungsbefehle durch die Zeitungen erhalten hat.“
Friedrich Wilhelm III. zieht es vor, ins unbesetzte Breslau zu fliehen. Hier erwarten ihn schon Hardenberg, Scharnhorst, Blücher und Gneisenau. Stein und der russische Zar kommen hinzu.
Napoleons Truppen sind so gut wie zerschlagen, Russland und Österreich stehen als Verbündete bereit, England, Dänemark und Schweden ebenso, dazu das Volk in fieberhafter Erwartung.
Europa ist bereit, die Fremdherrschaft Napoleons abzuschütteln.
Stein und Hardenberg legen ihm eine Proklamation vor. Am 17. März 1813 unterschreibt Friedrich Wilhelm:
„An mein Volk! Brandenburger, Preußen, Schlesier, Pommern, Lithauer! Ihr wißt, was Ihr seit fast sieben Jahren erduldet habt, Ihr wißt, was Eurer trauriges Loos [sein wird], wenn wir den beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden. Erinnert Euch an die Vorzeit, an den großen Kurfürsten, den großen Friedrich! Bleibt eingedenk der Güter, die unter ihnen unsere Vorfahren blutig erkämpften: Gewissensfreiheit, Ehre, Unabhängigkeit, Handel, Kunstfleiß und Wissenschaft. Gedenkt des großen Beispiels unserer mächtigen Verbündeten, der Russen, gedenkt der Spanier, der Portugiesen. Selbst kleinere Völker sind für gleiche Güter gegen mächtigere Feinde in den Kampf gezogen und haben den Sieg errungen. Große Opfer werden von allen Ständen gefordert werden: denn unser Beginnen ist groß, und nicht geringe die Zahl und die Mittel unserer Feinde. Aber, welche Opfer auch von Einzelnen gefordert werden mögen, sie wiegen die heiligen Güter nicht auf, für die wir sie hingeben, für die wir streiten und siegen müssen, wenn wir nicht aufhören wollen, Preußen und Deutsche zu sein.“
Der Aufruf gibt das Zeichen zum Befreiungskrieg gegen Napoleon.