Karte 1763

Salon

In den zwei Jahrzehnten zwischen 1785 und 1806 blühten in Berlin die Salons, die Menschen von unterschiedlichem Stand, Herkunft und Religion einen informellen Rahmen für persönliche Begegnung und geistigen Austausch boten. In Privathäusern trafen sich Adelige und Bürger, Intellektuelle und Kaufleute, Juden und Christen, Männer und Frauen. Es findet sich kaum eine Geistesgröße dieser Zeit, die nicht zumindest für kurze Zeit in den Salons verkehrte. Man verfolgte und diskutierte die neuesten Entwicklungen in Literatur, Kunst und Politik, man aß und trank (die Bewirtung der Gäste führte die Gastgeber zuweilen an den Rand des Ruins), man schloß Freundschaften, ging Liebschaften ein und fand Ehepartner.

Von den Gastgebern der Salongesellschaften waren die allermeisten Frauen und jüdischer Herkunft. Neben ihrer Bildung, ihrem Geist, ihrer Schönheit und ihrer Ausstrahlung war es nicht zuletzt auch ihre Herkunft, die Salonieren wie Rahel Levin (später Rahel Varnhagen von Ense) und Henriette Herz in diese gesellschaftliche Rolle hineinwachsen ließ: die am Rand der Gesellschaft stehenden Juden standen den verschiedenen Ständen und Gruppen gleichermaßen fern bzw. nah, so daß ihre Häuser als Orte der Begegnung besonders geeignet erschienen. Darüber hinaus gab es über das Geistige und Gesellige hinausgehende Interessen, wie die auffällig vielen Ehe zwischen den Töchtern reicher jüdischer Bankiers und Kaufleute und preußischen Adeligen zeigen. Die jüdische Seite gewann durch diese Verbindungen gesellschaftliche Anerkennung (durch Assimilation, die in der Regel mit der Konversion zum Christentum verbunden war), auf der christlichen halfen sie, den chronischen Geldmangel des Adels zu lindern.

Dass unter den Salons insbesondere die jüdischen das Jahr 1806 nicht lange überlebten, läßt sie als Übergangsphänomene im Vakuum zwischen den aristokratischen und den bürgerlichen Formen von Geselligkeit erscheinen. Denn daß sie keineswegs die Verwurzelung der Juden in die Gesellschaft zum Ausdruck brachten, enthüllte die Niederlage von 1806, nach der sich die Salongesellschaften schnell verliefen, da von nun an das Öffentliche, Staatliche mit aller Macht sein Recht forderte und eine Vermischung mit dem Privaten nicht mehr zuließ. Alte und neue soziale Grenzen kamen (wieder) zum Vorschein. Dazu kamen die Wendung gegen die Ideale der Aufklärung, die mit Frankreich, der Revolution und Napoleon indentifiziert wurde. Darunter litt auch die Toleranz gegenüber den Juden.

Als Reaktion auf die wenigen nach 1806 noch bestehenden jüdischen Salons wurde die von 1811-13 bestehende Christlich-deutsche Tischgesellschaft gegründet. In ihrem Zentrum standen Achim von Arnim, Clemens Brentano und Heinrich von Kleist. Juden, selbst konvertierte (!), und Frauen waren nicht zugelassen. Die Gesinnung dort war antireformerisch, christlich-konservativ, romantisch-nationalistisch, antiaufklärerisch. Sie unterstrich den geistigen und auch sozialen Gezeitenwechsel, der, trotz der Gleichstellung der Juden 1812, den unbefangenen Verkehr zwischen Juden und Christen zur Episode werden ließ.