8. August 1781 Der "Dicke Willem" glaubt an Geister
Beim Aufnahme-Ritual am 8.August 1781 muss der zukünftige König an einem Altar aus Menschengebein Menschenblut trinken und - während Sphärenklänge um ihn rauschen - ein Gericht aus magischen Wurzeln zu sich nehmen. Aus dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm wird Bruder Ormesus Ritter des Ordens der „ Rosenkreuzer“. Die ihn in die Geheimnisse des Ordens einweihen, sind Bruder Helioconus, mit bürgerlichem Namen Wöllner und Bruder Farferus, alias von Bischoffwerder. Die beiden Minister in spe versprechen dem Kronprinzen Einblicke in die wahren Absichten seines Hofstaates und seiner Feinde und Siege in allen Schlachten. Die wahren Absichten dieser Ordensbrüder allerdings sind, sich jegliche Vorteile im Staate zu verschaffen, Hans Rudolf von Bischoffwerder als Minister für Außenpolitik weniger, Johann Christoph Wöllner, ein Theologe, als Kultus- und Justizminister um so mehr.
So inszenieren die beiden Rosenkreuzer im Gartenpalais Belvedere im Park des Charlottenburger Schlosses aber auch anderswo mit Hilfe von Hohlspiegeln und mit Unterstützung des Bauchredners Stein und des Geheimsekretärs Mayr gespenstische Auftritte. Dem König erscheinen der römische Kaiser Mark Aurel, der Philosoph Leibniz, der Große Kurfürst und weitere Geister. Der Zweck des Mummenschanzes im Belvedere ist, sich des Einflusses der allmächtigen Wilhemine, alias Gräfin Lichtenau, der Mätresse des Königs, zu entledigen. Die Geister sollen den abergläubischen Monarchen davon überzeugen, dass er sein Verhältnis zu Wilhemine lösen müsse. Ein Zeitgenosse berichtet:
„Die Zauberei bestand darin, dass während der Beschwörungsformel und unter den nervenangreifenden Tönen einer Glasharmonika der gefordete Geist in dem Nebenzimmer leibhaftig sich so vor einen Hohlspiegel stellte, dass sein Bild, von dem gegenüberstehenden Spiegel aufgefangen, auf dem Milchflor in dem dunklen Zimmer sichtbar wurde, in welchem der geängstigte Prinz ganz allein saß. Es war dem Prinzen gestattet worden, Fragen an die Abgeschiedenen zu richten. Es gelang ihm nicht, auch nur einen Laut über die bebenden Lippen zu bringen. Dagegen vernahm er seinerseits von den heraufbeschworenen Geistern strenge Worte, drohende Strafreden und die Ermahnung auf den Pfad der Tugend zuzukehren. Er rief mit banger Stimme nach seinen Freunden; er bat inständig, den Zauber zu lösen und ihn von seiner Todesangst zu befreien. Nach einigem Zögern trat Bischoffswerder in das Kabinett und führte den zu Tode Erschöpften nach seinem Wagen. Er verlangte, zur Lichtenau zurückgebracht zu werden, ein Wunsch, dem nicht nachgegeben wurde. So kehrte er noch während derselben Nacht nach Potsdam zurück.“
Den Belvedere-Pavillon hat Friedrich Wilhelm nie wieder betreten. Von Wilhemines Bett löst er sich, nicht aber von ihrem Tisch. Denn auch die pfiffige Wilhemine hat einen Einfall. Drei Tage nach dem Tod ihres gemeinsamen Sohnes Alexander am 1.August 1787 hört der König im Charlottenburger Park dessen Stimme. Für Wilhemine ist es die Erweckungsstunde. Später gibt sie zu Protokoll, sie sah sich
„... um dem General von Bischoffwerder das Gegengewicht zu halten veranlasst, obigen Zufall dazu anzuwenden, des Königs Meinung gegen die schädlichen Einflüsse von anderer Seite sicherzustellen.“
Nun kommen auch von Alexander Ratschläge, unter anderem die dringende Empfehlung, Wilhemine niemals zu verlassen.