1739: Vom Kaiser enttäuscht, kündigt der Soldatenkönig seine Treue auf
König Friedrich Wilhelm I. liebt zwar Soldaten, aber er liebt keine Kriege. Kriege kosten Geld, Kriege ramponieren die schöne Armee. Eher zögerlich lässt sich der Soldatenkönig auf einen einzigen Feldzug ein. Als er 1720 aus diesem Nordischen Krieg ausscheidet bringt ihm das Gebietsgewinn. Vorpommern, die Inseln Usedom und Wollin, und das von seinem Großvater so heißbegehrte Stettin werden preußisch.
Während seiner weiteren Regentschaft ist sein außenpolitisches Interesse auf die Umsetzung der Erbfolgerechte in Jülich und Berg gerichtet. Der Garant dieser Pläne ist für Friedrich Wilhelm I. traditionell der Kaiser. In nahezu treuherziger Manier wirbt er immer wieder um die Gunst Karls IV. und wird immer wieder von ihm an der Nase herum geführt.
Als das Projekt der englischen Doppelheirat von zwei Kindern des Königs und ein Pakt zwischen Preußen, England und Hannover bekannt wird, schickt Wien einen Geheimdiplomaten nach Berlin. Der kaiserliche Gesandte General Götz Graf von Seckendorff erwirbt sich die Gunst des Königs durch großzügige Geschenke und üppige Gelage. Er kauft vier Mitarbeiter des Königs als Spione. Allen voran Minister Friedrich Wilhelm Grumbkow, aber auch einen Kammerdiener und den preußischen Gesandten in London. So weiß Wien alles was in London, Berlin und Preußen geschieht. Unter Wiener Regie kann der König von England von den Heiratsplänen abgebracht werden. Die entscheidenden Gespräche und Vereinbarungen finden im Tabakskollegium statt, ohne dass der vertrauensselige König ahnt, dass er von Spionen umgeben ist.
Dem kaiserlichen Gesandten General von Seckendorff gelingt es, den König zu einem Geheimabkommen mit Wien zu bringen. In dem Vertrag garantiert der Soldatenkönig die Pragmatische Sanktion, was bedeutet, dass er im Falle des Ablebens des Kaisers, beim Ausbleiben eines männlichen Nachkommen, auch eine weibliche Thronfolge akzeptiert. Eine Initiative des Kaisers, die auf die Thronübernahme durch seine Tochter Maria Theresia abzielt. Als Gegenleistung soll Preußens Anspruch auf Jülich-Berg vom Kaiser bestätigt werden. Obwohl der Kaiser das Gegenteil tut, nämlich den Anspruch des konkurrierenden Hauses Pfalz-Sulzbach bestätigt, hält Friedrich Wilhelm I. nahezu unterwürfig dem Kaiser die Treue. Erst als 1738 nach dem Polnischen Erbfolgekrieg die Großmächte Österreich, Frankreich, England und Holland einhellig Preußens Ansprüche zurückweisen, bricht der König mit dem Kaiser. In seiner puritanischen Frömmigkeit, seinem ehrlichen offenen Sinn, ist er vom Verrat des Kaisers tief verletzt:
"Es scheint beinahe, als habe man in Wien Treu und Glauben, wenigstens in Bezug auf uns, gänzlich bei Seite gesetzt; man will nach der Lehre Machiavellis nicht halbwegs böse sein, sondern ganz und gar; aber vielleicht kommt einmal eine Zeit, wo der Kaiser bereuen wird, dass er seinen besten Freund so empfindlich beleidigt und anderen aufopfert."
Erst auf dem Sterbebett wird dem König endgültig klar, wie sehr ihn die Großmächte hintergangen haben. So spricht er zu seinem Nachfolger von der "unvariablen Maxime des Hauses Österreich, Preußen niederzuhalten", von der Ambivalenz Englands, der Unzuverlässigkeit Russlands und dem unsicheren Frankreich. Historiker, die sich mit der Persönlichkeit des Soldatenkönigs beschäftigt haben, meinen, dass diese Enttäuschung nach der seelischen Erschütterung des Fluchtversuchs des Sohnes das Ende des Königs beschleunigt haben.