Heinrich von Kleist
18.10.1777 in Frankfurt a.d. Oder
21.11.1811 in Berlin
Schriftsteller
Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist wurde am 18. Oktober 1777 als ältester Sohn des Offiziers Joachim Friedrich von Kleist in Frankfurt/Oder geboren. In der Familie des Vaters, die aus Pommern stammte und ursprünglich wohl slawischer Herkunft war, dominierten Beamte und Offiziere. Gezählt sind 34 Generäle, von denen 31 den Orden pour le mérite erwarben. Es war deshalb klar, welche Laufbahn Heinrich von Kleist zugedacht war, ein Anspruch, den die Familie auch nach 1788, dem frühen Tod des Vaters, aufrecht erhielt. Die Mutter, Juliane Ulrike, geborene von Pannwitz, suchte beim König um eine Pension für sich und die sieben Kinder nach, doch wurde ihrer Bitte nicht entsprochen. Bereits zwei Wochen nach dem Tod ihres Mannes wandte sich die Witwe erneut an den König mit der Bitte, ihren erst 10jährigen Sohn Heinrich in die Militärakademie aufzunehmen. Auch dieser Wunsch wurde abgelehnt. Heinrich wurde deshalb nach Berlin zu dem hugenottischen Prediger Samuel Heinrich Catel in Pension gegeben und erhielt Unterricht in der Privatschule von Catels Schwager Hauchecorne und am Collège Français, dem Gymnasium der französisch-reformierten Gemeinde.
Am 1. Juni 1792 wurde der nunmehr 14-jährige Heinrich von Kleist ins Militär aufgenommen und trat nach der Konfirmation am 20. Juni als 5. Gefreiterkorporal im 3. Bataillon des Regiments Garde Nr. 15b seinen Dienst in Potsdam an. Vermutlich wegen seiner Jugend musste er im Winter desselben Jahres noch nicht mit seinem Regiment zum Rheinfeldzug aus Potsdam abmarschieren, sondern erhielt Heimaturlaub über den Jahreswechsel. Kurz bevor er wieder einrücken musste, starb seine Mutter. Im März 1793, gleich nach seiner Ankunft beim Regiment, das in Frankfurt/Main, dann in Wiesbaden Stellung bezogen hatte, wurde er zum 1. Gefreiten-Korporal befördert und nahm an der Belagerung von Mainz teil. Es folgten die Schlachten von Pirmasens und Kaiserslautern, Winterquartier in Frankfurt/Main, 1794 die Beförderung zum Portepee-Fähnrich, Gefechte bei Trippstadt und Kaiserslautern, Winterlager in Eschborn, 1795 die Verlegung des Garderegiments nach Osnabrück, die Beförderung des nunmehr 17-jährigen Kleist zum wirklichen Fähnrich und im Juni desselben Jahres, nach dem Friedensschluss in Basel zwischen Frankreich und Preußen, der Rückmarsch seines Regiments über Braunschweig nach Potsdam.
Die nächsten Jahre blieb Kleist in Potsdam stationiert, wurde 1797 zum Sekondeleutnant befördert, spielte Klarinette in einem Offiziersquartett, machte im Sommer Ausflüge nach Rügen und in den Harz, den ersten noch mit seinen Geschwistern, die weiteren mit befreundeten Regimentskameraden. 1799 reichte er sein Abschiedsgesuch ein und verließ das Militär, um in seiner Heimatstadt Kameralistik und Jura mit dem Ziel einer Beamtenlaufbahn zu studieren. Nebenbei erteilte er den Töchtern von August Wilhelm Hartmann von Zenge, der seinem Vater als Kompagniechef in Frankfurt/Oder nachgefolgt war, Privatunterricht und lernte so Wilhelmine von Zenge kennen, mit der er sich im nächsten Jahr verlobte. Im selben Jahr brach Kleist sein Studium nach drei Semestern ab, machte Ausflüge nach Berlin, Dresden und Würzburg, bemühte sich aber dennoch um eine künftige Anstellung im Verwaltungsdienst und erreichte Ende des Jahres eine Hospitanz bei der Technischen Deputation, einer für die Überwachung von Fabriken und Prüfung technischer Innovationen zuständigen Behörde des preußischen Manufakturkollegiums. Mitte April 1801 beantragte und erhielt er dort Urlaub, aus dem Jahre des Reisens und rastlosen Ortswechsels wurden. Göttingen, Mainz, Strassburg, Paris, Bern, Thun, wo er die Verlobung mit Wilhelmine von Zenge, aus deren Hand das beste und bekannteste Kleist-Portrait stammt, auflöste, Weimar, Dresden, Bern, Mailand, Genf und wieder Paris, das nordfranzösische St. Omer, wo er im Oktober 1803 als unauffällige Selbstmordvariante versuchte, sich der napoleonischen Invasionsarmee gegen England anzuschließen, waren die Stationen, bis er im Frühjahr 1804 einen ersten Zusammenbruch erlitt und in Mainz mehrere Monate gesundgepflegt werden musste.
Nach seiner Genesung kehrte er im Sommer 1804 nach Berlin zurück, bemühte sich erneut um eine Anstellung im Verwaltungsbereich und erhielt Januar 1805 schließlich Arbeit im Finanzdepartement Berlin unter dem Oberfinanzrat Karl Freiherr von Stein zum Altenstein, wechselte Anfang Mai als Diätar an der Kriegs- und Domänenkammer nach Königsberg unter dem ostpreußischen Oberpräsidenten Hans Jakob von Auerswald, hörte staats- und finanzwissenschaftliche Vorlesungen bei Christian Jakob Kraus, nahm an den Sitzungen des Kammerkollegiums teil, beschäftigte sich mit Steuer und Verwaltungsangelegenheiten, wurde aber bereits im Sommer desselben Jahres krank und blieb es bis Frühjahr 1806, gepflegt von seiner Schwester Ulrike, der einzigen von den Geschwistern, mit der er sich freundschaftlich verbunden fühlte. Mit seiner Genesung bat er Altenstein, seine Ausbildung in Königsberg um sechs Monate verlängern zu dürfen, doch schon im Juni 1806 musste er wegen seiner angegriffenen Gesundheit erneut darum bitten, bis Ende des Jahres vom Dienst entbunden zu werden, was ihm gewährt wurde.
Im Januar 1807 versuchte Kleist von Königsberg über Berlin nach Dresden zu reisen, wurde aber in Berlin von der französischen Besatzung unter Spionageverdacht verhaftet und zuerst im Fort de Joux bei Pontarlier, dann im Kriegsgefangenenlager Châlons sur Marne gefangengehalten und kam erst nach sechs Monaten wieder frei. Über Berlin kam er Ende August 1807 in Dresden an und gründete die Literaturzeitschrift „Phöbus“, deren erstes Heft bereits im Januar 1808 erschien, jedoch bereits nach wenigen Monaten in einer Finanzkrise steckte, die im März 1809 zu ihrer Einstellung führte. Hinzu kamen andere Misserfolge. In Weimar wurde 1808 unter Goethes Direktion "Der zerbrochene Krug" uraufgeführt und fiel beim Publikum durch. Kleist machte die Inszenierung verantwortlich, was zu einem tiefen Zerwürfnis mit dem mächtigen Goethe führte. 1809 verweigerte der Berliner Polizeipräsident das „Imprimatur“ für das Gedicht "An den König von Preußen zur Feier seiner Rückkehr nach Berlin".
Kleist verließ Dresden im April 1809 und begab sich in patriotischer Gesinnung auf die Reise zu den Schlachtfeldern der Kämpfe gegen Napoleon in Österreich, anschließend nach Prag, wo er so schwer erkrankte, dass Freunde ihn schon tot glaubten, doch tauchte er Ende des Jahres in Berlin auf. Er, der 1802 noch daran denken konnte, sich vielleicht ein Landgut zu kaufen, hatte sein Vermögen aufgebraucht und musste nun ein Darlehen von 500 Reichstalern als Hypothek auf sein Elternhaus aufnehmen. Durch den Tod der Königin Luise im Juli 1810 verlor er auch noch die Pension, die ihm Marie von Kleist, fingiert im Namen der Königin, über Jahre bezahlt hatte. Immer häufiger wurden nun die Briefe, in denen Kleist seinen Verleger Reimer um einen Vorschuss bat oder den Empfang eines solchen bestätigte.
Dennoch startete Kleist ein neues großes Projekt, und am 1. Oktober 1810 erschien die erste Nummer der "Berliner Abendblätter", mit der Kleist kein Glück haben sollte. Gleich zu Beginn kam es wegen redaktioneller Eingriffe Kleists zu Auseinandersetzungen mit anderen beteiligten Autoren. Verschärfte Zensurmaßnahmen entstellten das Blatt schon nach wenigen Wochen und ließen das anfängliche Publikumsinteresse rasch zurückgehen, der Absatz sank, das finanzielle Desaster kam. Kleist verhandelte mit mehreren Verlegern über die Übernahme der Zeitung und zugleich mit Staatskanzler Hardenberg, um eine offizielle Unterstützung zu erreichen. Bis zum Frühjahr 1811 waren aus den Verhandlungen heftige Auseinandersetzungen um angeblich zugesagte Finanzmittel mit Hardenberg und dem Staatsrat Friedrich von Raumer geworden, dem Kleist schließlich mit einer Duellforderung drohte, bevor er im März aufgab und die letzte Nummer der "Berliner Abendblätter" erscheinen ließ.
Danach war Heinrich von Kleist in Bittbriefen an die Regierung wieder vergeblich auf Stellensuche. Er war sogar bereit, als angestellter Redakteur für die Regierung zu arbeiten. Doch alles, was er erreichen konnte war, dass ihm im September 1811 die Rückkehr in den Militärdienst für den Fall eines Krieges in Aussicht gestellt wurde. Kleist glaubte an einen baldigen Kriegsausbruch, hatte aber nicht mehr die Mittel, die von einem Offizier erwartete militärische Ausrüstung zu finanzieren. Nachdem er Hardenberg vergeblich um einen zweckgebundenen Privatkredit gebeten hatte, reiste er zu den Geschwistern in Frankfurt an der Oder, um sie um Geld zu bitten, wurde aber von diesen gemaßregelt und "als ein ganz nichtsnutziges Glied der menschlichen Gesellschaft" beschimpft.
In diesem Herbst 1811 wurde Heinrich von Kleist 34 Jahre alt und kam zu der Auffassung, dass sein Lebensentwurf als Schriftsteller, ungeachtet der Tatsache, dass er einige Veröffentlichungen und Bühnenaufführungen vorzuweisen hatte, gescheitert war. Am 21. November setzte er dem Leben der Freundin Henriette Vogel und dem seinen am Wannsee mit zwei Pistolenschüssen ein Ende.