Preußische Reformen
Die preußischen Reformen in der Zeit zwischen 1807 und 1815 sind im Entwurf und in der Durchführung so eng mit den Namen Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein und Freiherr Graf Karl August von Hardenberg verbunden, dass sie auch als "Stein-Hardenbergsche Reformen" bezeichnet werden. Hatte die erste Denkschrift Steins von 1806 mit Reformvorschlägen noch zu seiner Entlassung aus dem Staatsdienst geführt, konnte seine " Nassauer Denkschrift" (1807) gemeinsam mit der "Rigaer Denkschrift" (1807) von Hardenberg zum Manifest der Reformen werden, die nach der Niederlage gegen Napoleon unumgänglich geworden waren. Diese beginnen mit der Befreiung der Bauern von Erbuntertänigkeit und Frondienst, die 1807 mit dem ersten Reformgesetz eingeleitet wird. Es folgt 1808 die Städteordnung, mit der das heute noch gültige Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung eingeführt wird. Ebenfalls 1808 die sehr wichtige "Verordnung, die veränderte Verfassung der obersten Verwaltungsbehörden in der Preußischen Monarchie betreffend", auch "Organisationsedikt" genannt, mit dem die nicht verantwortliche Kabinettsregierung abgeschafft und durch Fachministerien für Inneres, Äußeres, Finanzen, Krieg und Justiz ersetzt werden. 1810 die Aufhebung des Zunftzwanges, die es Adligen und Bauern ermöglicht, bürgerliche Berufe zu ergreifen. Sie stellt eine Vorstufe zur Gewerbefreiheit dar und liberalisiert die Wirtschaft für die anstehende Industrialisierung Preußens. Angeführt von Wilhelm Freiherr von Humboldt folgt zwischen 1810 und 1814 eine umfassende Bildungsreform, mit der das Bildungswesen verstaatlicht, die allgemeine Schulpflicht durchgesetzt und mit der Einführung von Abitur und Staatsexamen Standards festlegt werden. Parallel dazu verläuft zwischen 1811 und 1814 die von Gerhard von Scharnhorst und August Graf Neidhardt von Gneisenau konzipierte Heeresreform, mit der ein Volksheer mit allgemeiner Wehrpflicht eingeführt, das Strafsystem in der Armee verrechtlicht und Bürgerlichen nach dem Bildungs- und Leistungsprinzip der Zugang zur Offizierslaufbahn ermöglicht wird. Schließlich 1812 noch die Judenemanzipation, mit der in Preußen eine staatsrechtliche Gleichstellung der Juden eingeführt wird. Die Reformen, die insgesamt positiv zu beurteilen sind, konnten jedoch unbeabsichtigte schlechte Folgen, wie etwa das " Bauernlegen", mit dem die Bauern auf schlechtes Land abgedrängt wurden oder ihr Land verloren und zum Industrie Proletariat wurden, nicht verhindern. Die Agrarreform war ausserdem aufgrund des Widerstand des Adels, vor allem des konservativen ostelbischen Junkertums einigen Kompromissen unterworfen. Die Selbstverwaltung der Landgemeinden, die Aufhebung der Gutsherrlichen Patrimonialgerichtsbarkeit und Polizeigewalt, eine allgemeine Einkommens- und Grundsteuer konnten nicht durchgesetzt werden. Die von ihren Vordenkern angestrebte verfassungsrechtliche Überführung Preußens in eine Konstitutionelle Monarchie wurde mit der nach dem Ende der Befreiungskriege und dem Wiener Kongress 1815 einsetzenden Restauration, die den Reformprozess zum Stillstand brachte, in eine ferne Zukunft verschoben.