Karte 1922
Otto Braun Otto Braun Otto Braun

Otto Braun

geboren28.1.1872 in Königsberg

gestorben15.12.1955 in Locarno (Schweiz)

SPD

6.4.1920 bis 21.5.1932 Preußischer Ministerpräsident

Otto Braun wurde 1872 in Königsberg geboren. Seine Kindheit und Jugend waren von dem beruflichen und sozialen Abstieg des Vaters vom Schuhmachermeister zum Bahnwärter überschattet. Nach der Volksschule absolvierte er eine Steindrucker- und eine Buchdruckerausbildung. Mit sechzehn Jahren 1888 trat er in die bis 1890 durch die Sozialistengesetze in den Untergrund abgedrängte SPD ein. Nachdem er zuerst gegen den gemäßigten Kurs der Königsberger Parteileitung opponiert hatte, begann er früh seine Karriere als Parteifunktionär. Er wurde Vorsitzender des für den Wahlkampf zuständigen „Arbeiter-Wahlvereins“ Königsberg und Redakteur verschiedener sozialdemokratischer Zeitungen. Seine mit wechselndem Erfolg ausgeübte Agitationstätigkeit unter den Landarbeitern Ostpreußens, die ihn zur Gründung des Deutschen Landarbeiter-Verbandes anregte, machte ihn zu einem Experten für Agrarfragen und zum lebenslangen Gegner der ostelbischen Großgrundbesitzer. Als Vorsitzender der Ortskrankenkasse erwarb er Erfahrung im Bereich der Verwaltung, als Stadtverordneter im parlamentarischen Bereich. 1904 wurde Braun wegen Hochverrats gegen das Zarenreich vor Gericht gestellt. Grundlage der Anklage war der Schmuggel angeblich anarchistischer und zum Mord am Zaren aufrufender Schriften, wobei Hochverrat gegen einen ausländischen Souverän von deutschen Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt wurde, sofern von diesem Land Gegenseitigkeit garantiert wurde. Dies traf hier nicht zu, und auch die vom russischen Konsul in Königsberg gelieferten Übersetzungen erwiesen sich als unzuverlässig. Braun und andere SPD-Leute wurden freigesprochen. Die Ankläger scheiterten mit ihrem Versuch, ihre Anbiederung an das zaristische Russland mit einem Schlag gegen die deutsche Sozialdemokratie zu verbinden.

1911 wurde Braun als Hauptkassierer und Mitglied des Parteivorstandes, 1913 wurde er ins preußische Abgeordnetenhaus gewählt. Im Ersten Weltkrieg blieb er auf Seiten der Mehrheitssozialdemokraten. 1919 wurde er in der Regierung Hirsch preußischer Landwirtschaftsminister. Während führende Demokraten wie z. B. der Staatsrechtler Hugo Preuß die Auflösung Preußens und die Schaffung eines zentralisierten Einheitsstaates forderten, sah Braun Preußen als die „demokratische Ordnungszelle“ der bedrohten Republik an, deren Zerstückelung außerdem den Annexionsbestrebungen der Siegermächte entgegengekommen wäre. Brauns Auffassung setzte sich durch und erwies sich für mehr als ein Jahrzehnt als richtig. Nach dem Wahlsieg der SPD 1920 wurde er preußischer Ministerpräsident. Bis 1932 stand er an der Spitze einer Koalition, die nach dem Ausscheiden der DVP 1924 kontinuierlich aus den Weimarer Parteien SPD, DDP und Zentrum bestand, während im Reich die staatstragenden Parteien nur zeitweise gemeinsam in den Kabinetten vertreten waren. Sein autoritärer Führungsstil brachte ihm den Spitznamen „roter Zar von Preußen“ ein. Braun erwies sich als starke Stütze der Republik und hatte einen maßgeblichen Anteil am Überstehen des Ruhrkampfes 1923. Preußens Beamtenapparat wurde von vielen Gegnern der Republik befreit. Er entwickelte sogar eine Vertrauensebene zum Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Die beiden leidenschaftlichen Jäger berieten sich auf gemeinsamen Jagdausflügen, bis die Junker aus der Kamarilla um dem Präsidenten dessen Vertrauen zu ihrem Intimfeind ausredeten. Brauns Ziel, die Führung Preußens und des Reichs wie im Kaiserreich eng zu verbinden, blieb unerreicht.

In den letzten Jahren der Republik optierte Braun für eine Kooperation mit den konservativen Kräften, um die Nationalsozialisten von der Macht fernzuhalten. Er verbot den rheinischen Stahlhelm (was den endgültigen Bruch mit Hindenburg zur Folge hatte) und setzte mit der preußischen Polizei, die den tatkräftigen Innenministern Carl Severing und Albert Grzesinski unterstellt war, das reichsweite SA-Verbot durch. Er überstand ein von den Radikalen von rechts und links angeregtes Volksbegehren, das die Auflösung des Parlaments zum Ziel hatte. Schließlich schwächte eine Niederlage bei den Preußenwahlen im März 1932, nach denen nur noch die Bildung einer Minderheitsregierung möglich war, seine Position. Nach der Entlassung Heinrich Brünings beschloss die Regierung unter Franz von Papen, den Machtapparat des preußischen Staates an sich zu bringen. Beim sogenannten „Preußenschlag“ (1932) wurde die Regierung per Notverordnung für abgesetzt erklärt und ihre Befugnisse auf Reichskommissare übertragen, an deren Spitze von Papen selbst stand. Braun, der nur noch eine Minderheitsregierung führte, konnte sich zu einer gewaltsamen Gegenwehr, etwa durch die preußische Polizei, nicht entschließen, da mit einem Eingreifen der Reichswehr zugunsten der Reichsregierung zu rechnen war. Das Reichsgericht erklärte die Absetzung der Regierung zwar für unrechtmäßig, änderte aber nichts an den Machtverhältnissen. Nach der „NS-Machtergreifung“ flüchtete Braun Anfang März 1933 in die Schweiz. Im Exil trat er 1943 als Verfasser von „Richtlinien eines demokratischen Antinaziblocks“ hervor. Nach dem Krieg besuchte er noch die Parteitage der SPD in der Bundesrepublik. Er starb 1955 in Locarno (Schweiz).

Otto Braun