Inflation - Hyperinflation - Rentenmark
Wer im Juni 1923 in den Berliner Markthallen einkaufen geht, muß sich vorher mit einem dicken Bündel großer Scheine eindecken. Rund 7000 Mark kostet ein halbes Pfund Butter, für ein Bund Möhren muss mit etwa 5 500 Mark bezahlt werden, ein Pfund Bohnenkaffee ist mit 31 000 Mark kaum mehr bezahlbar.
Aber das ist erst der Anfang der Inflation. Zwischen Juni und November 1923 sinkt der Wert der Reichsmark immer schneller. Am 3. September steht der Wechselkurs für einen amerikanischen Dollar noch bei knapp zehn Millionen Mark, Ende des Monats sind es dann schon 160 Millionen Mark, wenig später kostet ein Dollar Milliarden- und Billionenbeträge. Aus Inflation wird Hyperinflation.
Im Oktober muß ein Facharbeiter für ein Pfund Margarine neun Stunden arbeiten. Täglich mittags wird das von Ullsteins Druckereimaschinen in der Kochstraße produzierte Papiergeld kofferweise ausgezahlt; man rennt damit zum nächsten Laden, um Lebensmittel oder Sachgüter zu kaufen, ehe das Geld wertlos geworden ist. Lebensmittel sind die wahre Währung; Unternehmen zahlen den Lohn in Broten. Als ein Vierpfundbrot am 4. November plötzlich 420 Milliarden Mark kostet (am 1. waren es 130 Milliarden), plündern aufgebrachte, verzweifelte Bürger die Bäckerläden.
Doch die Folgen der Inflation treffen nicht jeden in gleicher Weise. Sparer haben alles verloren, Hauseigentümer dagegen kaum etwas.
Die Politiker stehen dieser Entwicklung machtlos gegenüber. Dabei sind sie es, die den Zusammenbruch des Finanzsystems mit ausgelöst haben: Die Regierung druckte immer mehr Geld, um Löcher in der Staatskasse zu füllen. Entstanden waren die Finanzierungslücken in Folge der Besetzung des Ruhrgebiets. Da Deutschland mit den Kohlelieferungen als Reparationszahlung in Rückstand lag, wollten sich die Sieger des ersten Weltkrieges selber holen, was ihnen laut Versailler Vertrag zustand.
Die Deutschen reagieren darauf mit „passivem Widerstand“: Erst streiken die Arbeiter in den besetzten Unternehmen, dann verbietet die Regierung den Behörden, Weisungen der Besatzungsmächte zu befolgen, später kommt es zu Demonstrationen und Unruhen.
Den Streiks folgt die Massenarbeitslosigkeit und der Wert der Mark fiel ins Bodenlose.
In dieser Situation gibt es nur noch einen Ausweg: eine Währungsreform. Im November wird die Rentenmark eingeführt. Eine erneute Abwertung wird vermieden, indem man von der neuen Währung nur so viel druckt, dass das Bargeld dem Wert des gesamten Grundbesitzes der deutschen Wirtschaft entspricht. Die Rechnung der Finanzstrategen geht auf: Der Kurs der neuen Währung pendelt sich bei 4,20 Rentenmark zu 4,2 Billionen „alten“ Papiermark zu einem Dollar ein. Das „Wunder der Rentenmark“ ist vollbracht.