Immanuel Kant
22.4.1724 in Königsberg
12.2.1804 in Königsberg
Philosoph
Immanuel Kant wurde als viertes von neun Kindern des Sattlermeisters Johann Georg Kant geboren. Die Familie des Vaters kam aus dem Kurischen, die der Mutter Anna Regina, geborene Reuter, kam aus der Gegend von Nürnberg und Tübingen. In den Familien beider Eltern waren die Berufe des Ledergewerbes (Färber, Gerber, Sattler, Kürschner, Schuhmacher) häufig vertreten. Immanuel Kant hat sein dem Pietismus zugewandtes Elternhaus zeitlebens günstig beurteilt. Besonders die Mutter, die als sensible und für ihre Zeit und Verhältnisse ungewöhnlich gebildete Frau beschrieben wird, hat den jungen Immanuel geprägt: „Sie pflanzte und nährte den ersten Keim des Guten in mir, sie öffnete mein Herz den Eindrücken der Natur; sie weckte und erweiterte meine Begriffe, und ihre Lehren haben einen immerwährenden heilsamen Einfluss auf mein Leben gehabt.“ Wenn an Kant später Eigenschaften wie Ruhe, Heiterkeit, innerer Frieden und gelassenes Selbstbewusstsein als Grundzüge seines Charakters beobachtet wurden, so hatten die Eltern ihren Anteil daran. Kant erinnerte sich deshalb „mit inniger Rührung“ und Dankbarkeit an die Erziehung, „die von der moralischen Seite betrachtet gar nicht besser seyn konnte“. Die Eltern, die seine Begabung erkannten, förderten seine Schulbildung und sorgten dafür, dass er von der Vorstädtischen Hospitalschule, auf die er zuerst ging, 1732 auf das Fridericianum kam, das ab 1733 von dem Aufklärer und Pietisten Franz Albert Schulz geleitet wurde, der den jungen Immanuel ebenfalls gefördert hat. An das strenge religiöse Reglement, das dort im Gegensatz zum Elternhaus herrschte, hat sich Kant allerdings noch im Alter nicht ohne „Schrecken und Bangigkeit“ erinnert.
Die Mutter starb 1737, als Immanuel 13 Jahre alt war. Im Alter von 16 bestand er 1740 die damals übliche Zulassungsprüfung und begann sein Studium an der Albertina, der Königsberger Universität. Den Schwerpunkt legte er nicht auf Fächer, die der akademischen Karriere nützlich waren, sondern auf Mathematik, Philosophie und die lateinischen Klassiker, wozu nicht im Widerspruch stand, dass sich sein Interesse die ersten Jahre auf naturwissenschaftliche Probleme konzentrierte. Die erste Schrift, die in der Studienzeit entstand, beschäftigte sich mit einem messtechnischen Streit zwischen Kartesianern und Leibnizianern und zeigt ein überraschendes Selbstbewusstsein des 22jährigen, der im Vorwort schrieb: „Ich habe mir die Bahn schon vorgezeichnet, die ich halten will. Ich werde meinen Lauf antreten, und nichts soll mich hindern ihn fortzusetzen.“
1746, kurz vor Abschluss des Studiums, starb sein Vater. Kant ging als Hauslehrer zuerst bis 1751 zu dem reformierten Prediger Daniel Andersch in Judtschen bei Gumbinnen, einer Schweizer Kolonie meist französisch sprechender Siedler, dann bis 1753 zu dem Gutsbesitzer Major Bernhard Friedrich von Hülsen auf Groß-Arnsdorf bei Mohrungen. Im März 1755 erschien anonym Kants an Newton orientierte „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels“, die so gut wie unbekannt blieb. Im Juni wurde Kant promoviert, bereits im September erfolgte seine Habilitation, außerdem erschienen drei kleinere allgemein gehaltene naturwissenschaftliche Abhandlungen, die durch das Erdbeben in Lissabon veranlasst waren. Im März 1756 reichte Kant seine dritte Dissertation ein, die nach einer Verordnung Friedrichs II. von 1749 für ein Extraordinariat verlangt wurde. Sowohl mit der Plötzlichkeit als mit der Breite seines akademischen Auftritts überraschte Kant seine Umgebung.
Bereits im Wintersemester 1755/56 beginnt Kant seine Vorlesungen als Privatdozent. Das Interesse ist so groß, dass selbst Vorhaus und Treppe „mit einer beinahe unglaublichen Menge von Studierenden angefüllt“ sind. Kant liest sehr erfolgreich über Logik, Metaphysik, Ethik, Mathematik, Physik, Naturrecht, philosophische Enzyklopädie, Anthropologie und Pädagogik, gelegentlich auch über Mechanik und Theologie. Seine Wirkung auf die Hörer, unter denen sich nicht nur Studenten befinden, ist sehr eindringlich, er wird seiner integren Persönlichkeit, seines Charmes und seines sprühenden Witzes wegen geschätzt und avanciert bald zum Liebling der Königsberger Gesellschaft. Die russische Okkupation Königsbergs von 1758 bis August 1762 bringt außerdem eine Zeit ungewöhnlicher Liberalität in die Stadt, in der sich die ständische Ordnung und die strengen Sitten lockern und ein Hauch von russischem Luxus und Libertinage die preußische Kargheit und den pietistischen Ernst für eine Weile vertreibt. Der Privatdozent Immanuel Kant ist an dem munteren Treiben in den Privathäusern, im Theater und in den Offizierskasinos beteiligt und handelt sich dabei den Ehrentitel „eleganter Magister“ ein.
Bis zum Ende der russischen Okkupation 1762 veröffentlichte Kant nichts, dann jedoch setzte eine fast hektische Phase der Produktion ein, bei der er sich von den Naturwissenschaften weg und der Logik, Metaphysik und Ethik zuwandte. Die Veröffentlichungen machten ihn in ganz Deutschland als Autor bekannt. Kant, der sich 1755 und 1756 um eine Professur für Logik und Metaphysik bemüht hatte und trotz seiner Qualifikation abgelehnt worden war, bekam im Sommer 1764 die Professur für Dichtkunst an der Albertina angeboten, lehnte aber ab, weil das nicht sein Metier war. Er lebte noch immer von Hörgeldgebühren und Einnahmen aus Privatunterricht. Erst 1766, da war er schon 41 Jahre alt, erhielt er eine Stelle - als Hilfsbibliothekar an der Königlichen Schlossbibliothek, ein Amt, das er bis 1772 gewissenhaft ausübte. 1769 folgte der Ruf auf den neugeschaffenen Lehrstuhl für Logik und Metaphysik an der Universität Erlangen, den Kant ebenso ablehnte wie den nach Jena wenige Monate später. 1770 erhielt er schließlich die gewünschte ordentliche Professur für Logik und Metaphysik an der Universität Königsberg. Der Antritt, der eine weitere Dissertation und deren öffentliche Verteidigung verlangte, fand unter der begeisterten Anteilnahme seiner Studenten statt.
Beim Versuch, die Dissertation von 1770 zu überarbeiten und die darin übriggebliebenen Probleme „in Kurzem zur völligen Deutlichkeit zu bringen“, verstrickte sich Kant immer tiefer in einen Reflexionsprozeß, der ihn zehn Jahre seines Lebens beschäftigte und am Ende sein Hauptwerk, die „Kritik der reinen Vernunft“, hervorbrachte. Der quälende Arbeitsprozess veränderte sein Leben zwangsläufig. Er reduzierte die Wochenstunden seiner Vorlesungen, zog sich zurück, verzichtete während der ganzen Zeit auf Veröffentlichungen und klagte 1776: „Ich empfange von allen Seiten Vorwürfe, wegen der Untätigkeit, darin ich seit langer Zeit zu sein scheine und bin doch wirklich niemals systematischer und anhaltender beschäftigt gewesen“. Als das Buch schließlich 1781 erschien, erhielt es jahrelang kein Echo, dann Unverständnis. Man klagte „fast allgemein über unüberwindliche Dunkelheit und Unverständlichkeit“ dieser Schrift, und dass sie für das Publikum „eben so viel ist, als ob sie aus lauter Hieroglyphen bestünde“. Kant, dem die akademischen Ämter und Verpflichtungen immer lästiger wurden, machte sich zunächst daran, den Beschwerden abzuhelfen und legte 1783 mit den „Prolegomena“ eine, wie er meinte, besser verständliche Erläuterung seines Hauptwerkes vor. Dann ging er an die weitere Ausarbeitung des Gesamtsystems seiner kritischen Philosophie, 1785 erschien die „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ (der späteren „Kritik der praktischen Vernunft“), 1790 die „Kritik der Urteilskraft“. Er sah sich außerdem genötigt, die „Kritik der reinen Vernunft“ gegen Angriffe vor allem der Leibniz- Wolffschen Schulphilosophie, aus der er einst selbst kam, zu verteidigen, und antwortete 1790 mit der Schrift „Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll“. Außerdem veröffentlichte er in der 1783 gegründeten Berlinischen Monatsschrift bis 1796 jährlich mindestens einen Artikel, darunter 1784 die „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“.
1786, nach dem Regierungsantritt von Friedrich Wilhelm II., wurde Kant Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin und erhielt 1789 als Zeichen der „wahren Zufriedenheit“ des Monarchen eine beachtliche Gehaltszulage. Das entsprechende Reskript war von dem neuen Kultusminister Johann Christoph von Wöllner unterzeichnet, dem Kant aus gutem Grund misstraute. 1792 ereilte ihn zum ersten Mal die Zensur, 1794 schrieb Friedrich Wilhelm II. an Wöllner „Mit Kantens schändlichen Schriften muss es auch nicht länger fortgehen“. Kant veröffentlichte trotz des Risikos den Beitrag „Das Ende aller Dinge“, in dem er, ohne Namen zu nennen, ein Christentum a lá Wöllner als Herrschaft des Antichrist bezeichnete, erhielt von Wöllner eine Abmahnung mit der Drohung, dass er sich „bei fortgesetzter Renitenz unfehlbar unangenehmer Verfügungen zu gegenwärtigen“ hätte. Kant verzichtete vorläufig auf weitere religionsphilosophische Äußerungen und veröffentlichte 1795 „Zum ewigen Frieden“, den utopischen Entwurf eines Völkerbundes, die einzige seiner Schriften, die sofort vergriffen war und wenigstens für kurze Zeit populär wurde.
1796 hielt Kant seine letzten Vorlesungen und zog sich ins Privatleben zurück. Seine letzten Jahre waren von zunehmenden Alterserscheinungen begleitet, doch versuchte er noch bis zum Ende zu schreiben. Er starb am 12. Februar 1804 in Königsberg.