Vossische Zeitung
Hieß eigentlich "Königlich Privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und Gelehrten Sachen" und erschien erstmals am 25. Februar 1721; das von der Zeitung selbst später als 1704 angegebene Gründungsdatum und 1904 mit einer 200-Jahr-Feier begangene Jubiläum ist nicht richtig, weil sich diese Datierung nur auf das kurze Zwischenspiel einer Vorläuferin bezieht, die von 1704 bis 1706 erschien. Erst 1721 konnte der Herausgeber Johann Andreas Rüdiger erreichen, dass das königliche Privileg seinem Konkurrenten Johann Lorentz entzogen und für 200 Taler, die er in die Heereskasse des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. einzahlte, auf ihn übertragen wurde. Weitere Verwirrung stiftet jedoch, dass die erste Ausgabe die Nummer 24 trug, womit sie die direkte Nachfolge des Blattes von Lorentz zu sein schien, dessen letzte Ausgabe vom 22. Februar 1721 die Nummer 23 trug. Johann Andreas Rüdiger leitete die Zeitung dreissig Jahre lang und vererbte sie bei seinem Tod 1751 an seinen Schwiegersohn, den Buchhändler Christian Friedrich Voss. Von ihm leitet sich der volkstümliche Name „Vossische Zeitung“ ab, unter dem das Blatt bald bekannter war als unter seiner amtlichen Bezeichnung. Die Zeitung blieb bis 1914 „im Verlag Vossischer Erben“, also in Familienbesitz, wie der Kopfvermerk besagte, doch noch vor ihrem Verkauf an den Ullstein Verlag änderte sie ihren Namen, indem sie 1910 die Montagsausgabe „Vossische Zeitung“ nannte und das "Königlich Privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und Gelehrten Sachen " in den Untertitel nahm, eine Neuerung, die erst 1911 für die gesamte Ausgabe übernommen wurde. Nach der Abdankung des deutschen Kaisers im November 1918 erfolgte die letzte Namensänderung, indem sie aus ihrem Untertitel das „Königlich Privilegirte“ strich. Der lapidare, in Lexika übliche Satz, daß die Zeitung 1934 ihr Erscheinen einstellte, lässt die dramatischen Hintergründe im Hause Ullstein nicht erkennen, sowenig wie die Erklärung der Familie selbst. Am 24. März 1934 teilte der Verlag in einer kurzen, „An die Leser der Vossischen Zeitung“ überschriebenen Notiz auf der Titelseite des Blattes mit: „Die Aufgabe eines Blattes vom Stil der Vossischen Zeitung ist nach unserer Ansicht beendet. So haben wir denn aus freien Stücken den schmerzlichen aber folgerichtigen Entschluß gefasst, die Vossische Zeitung aufzugeben und sie nach dem Ende des Monats nicht mehr erscheinen zu lassen.“ Tatsächlich hatte das Blatt des liberalen Bürgertums, für das so berühmte Namen wie Gotthold Ephraim Lessing und Theodor Fontane gearbeitet hatten, unter der Zensur und der durch das Schriftleitergesetz eingeleiteten Arisierung sehr zu leiden; bis 1934 waren bereits 2000 mißliebige Journalisten aus ihren Stellungen vertrieben, 1300 von ihnen Juden. Wenige Wochen nach dieser Mitteilung wurde der Ullstein Verlag mitsamt den noch erscheinenden Zeitungen (wie etwa Berliner Illustrirte Zeitung) zwangsweise verkauft.