Theodor Fontane
30.12.1819 in Neuruppin
20.9.1898 in Berlin
Theodor (eigentlich Henri Théodore) Fontane wurde am 30.12.1819 in Neuruppin geboren. Seine Vorfahren waren Hugenotten, die nach dem Postdamer Edikt des Großen Kurfürsten von 1685, mit dem er den in Frankreich verfolgten Reformierten Aufnahme zusicherte, nach Brandenburg eingewandert waren. Wie seine Eltern gehörte Fontane dem französisch-reformierten Bekenntnis an. Der Vater war Pharmazeut, der als 17-Jähriger an den Befreiungskriegen, wie er selbst sagte, mehr aus Abenteuerlust denn aus Patriotismus, teilgenommen hatte und bereits im Alter von 23 Jahren eine eigene Apotheke besaß. Allerdings verspielte er das Vermögen und musste, als Theodor sieben Jahre alt war, die Apotheke samt Haus verkaufen. Es blieb nicht die einzige Apotheke und nicht der einzige Verkauf. Über die Spielleidenschaft seines Vaters, die an der späteren Trennung seiner Eltern nicht unbeteiligt gewesen sein dürfte, spricht Fontane in seiner späten Autobiographie „Meine Kinderjahre“ (1894).
Die Familie zog häufig um. Theodor Fontane genoss eher wenig Schulbildung. In der Grundschule war er nicht mehr als ein Jahr, bevor ihn die Mutter herausnahm und vom Vater und den Hauslehrern befreundeter Familien unterrichten ließ; ein Zwischenspiel auf dem Gymnasium in Neuruppin währte ebenfalls nur ein Jahr, er wechselte auf eine Gewerbeschule in Berlin, die er mit einem “Einjährigen-Abschluss“ verließ. 1836 begann er eine pharmazeutische Lehre, nach deren Beendigung und einjährigem Militärdienst er in verschiedenen Apotheken arbeitete, 1847 das staatliche Pharmazeutenexamen ablegte, bis er im Oktober 1849 beschloss, sein “Leben auf den Vers“ zu stellen, d.h. freischaffender Lyriker zu werden. Diese Entscheidung war mehr als verwegen. Zwar hatte er schon während seiner Lehrzeit angefangen zu schreiben und 1840 in der Zeitung „Berliner Figaro“ zu veröffentlichen begonnen; er war dem demokratisch-burschenschaftlichen "Herwegh-Klub", und der literarischen Sonntagsgesellschaft “Tunnel über der Spree“ beigetreten und wurde dort in seinem Vorhaben unterstützt. Aber bis zu seinem Entschluss 1849 hatte er nicht mehr als eine Novelle, ein paar Gedichte und Zeitungsartikel veröffentlicht.
Im März 1848 hatte sich Fontane an den Barrikadenkämpfen auf Seiten der Revolutionäre beteiligt und in seinen Artikeln, die in der Zeitschrift "Berliner Zeitungshalle" und in der "Dresdner Zeitung". erschienen, radikaldemokratische Ansichten vertreten. In Preußen sah er das “Schreckensregiment polizeilicher Willkür“ an der Macht. Preußen und Fürsten wünscht er sich ebenso hinweg wie einen Volksstaat des geeinigten Deutschlands herbei. Im Winter 1849 erschienen seine ersten Buchveröffentlichungen: "Männer und Helden. Acht Preußenlieder" in der er die brandenburgisch-preußische Geschichte in einzelnen Feldherren personifizierte und mystifizierte, sowie “Rosamunde“, ein Romanzenzyklus.
Wilhelm von Merckel, ein Freund und „Tunnel“-Mitglied, der das "Literarische Kabinett" im preußischen Innenministerium leitete, dessen Aufgabe in der Kontrolle und Einflussnahme der Presse im regierungsfreundlichem Sinne bestand, verschaffte ihm dort eine Stelle, die er allerdings im selben Jahr mit der Auflösung des „Kabinetts“ wieder verlor. Sein Ansuchen um eine Dichterpension wurde wegen politischer Unzuverlässigkeit 1851 abgelehnt. So fand sich Fontane noch im selben Jahr in der "Centralstelle für Preßangelegenheiten", die aus dem "Literarischen Kabinett" hervorgegangen war, als Angestellter wieder.
In den Jahren zwischen 1852 und 1859 pendelt Theodor Fontane zwischen London und Berlin hin und her, zunächst im Auftrag der "Centralstelle", dann soll er 1854 im Auftrag der preußischen Regierung die "Deutsch-Englische Pressekorrespondenz" gründen und leiten, einen Pressedienst, der 1856 aufgrund des geringen Erfolgs wieder eingestellt wurde; anschließend wird er Presse-Attachée der preußischen Gesandtschaft in London. Er schreibt nebenbei Theaterkritiken zu Londoner Aufführungen für deutsche Zeitungen. Noch während seines Englandaufenthaltes erscheint sein erstes Reisebuch “Ein Sommer in London“ (1854), nach seiner Rückkehr folgen 1860 "Aus England" und "Jenseits des Tweed". Im selben Jahr wird Fontane Korrespondent und Redakteur des "Englischen Artikels" bei der konservativen Berliner " Kreuz-Zeitung".
Wenn auch 1860 noch die "Balladen" erschienen, so war mit den Reisebüchern, die zum Teil Zusammenfassungen von bereits in Zeitungen erschienen Artikeln Fontanes waren, die Lyrik weitgehend aufgegeben und die Hinwendung zur Epik, der realistischen Schilderung mit historischer Recherche, vollzogen. Fontane widmete sich nun ganz brandenburgisch-preußischen Themen. 1862 erschien der erste Teil der Artikelserie “Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ als Buch. Fontane schildert darin mit viel Liebe zum Detail die Landschaft und die Menschen um den Ruppiner See, der Gegend, in der er aufgewachsen war. Der zweite Teil, der bereits 1864 folgte, widmete sich schwerpunktmäßig dem Oderbruch, beschrieb seinen Zustand vor der Trockenlegung, seine Eindeichung und Kolonisation, seine zeitgenössischen Landschaften und Bewohner. Bis 1882 folgten ein dritter und vierter Teil, die sich mit historischen Themen wie “Die Wenden und die Kolonisation der Mark durch die Zisterzienser“ beschäftigten (III) und Wissenswertes über die Gegend um Berlin (Spreewald, Teltow, Müggelsee) zusammentrugen (IV). Nachdem Berlin 1871 Hauptstadt des Deutschen Reiches geworden war, stieg der Erfolg seiner Bücher, denn sie boten Information und Orientierung über Land und Leute. Auftragsarbeiten, denen sich Fontane jeweils aus aktuellem Anlass zuwandte, waren die von Preußen 1864, 1866 und 1870/71 geführten Kriege. Er reiste selbst zu den jeweiligen Kriegsschauplätzen und dokumentierte seine Kenntnisse und Erfahrungen (einschließlich der Verhaftung in Frankreich, wo er der Spionage verdächtigt wurde) in Titeln wie , "Der Schleswig-Holsteinische Krieg im Jahre 1864" (1865), "Kriegsgefangen. Erlebtes 1870" und "Aus den Tagen der Okkupation. Eine Osterreise durch Nordfrankreich und Elsaß-Lothringen 1871" (1871).
1870 kündigte Fontane bei der “Kreuzzeitung“ und wechselte ins Feuilleton der liberalen "Vossischen Zeitung", wo er bis 1889 blieb. Erst in dieser Zeit entstanden die ersten Romane; “Vor dem Sturm – Roman aus dem Winter 1812 auf 13“, ein Panorama märkischer Adels-, Bürger- und Bauernwelt, das sich mit der Stimmung und den Möglichkeiten Brandenburg-Preußens unmittelbar vor den Befreiungskriegen beschäftigt, erschien 1878. Es folgten “Unterm Birnbaum“ (ein Kriminalroman, erschienen 1885) und “Irrungen, Wirrungen“ (1888), in dem Fontane zum ersten, aber nicht zum letzten Mal das Thema der nicht standesgemäßen Liebe (hier zwischen einem Baron und einer jungen Wäscherin) aufgreift.
Als Fontane die “ Vossische Zeitung“ verließ, war er 70 Jahre alt. Wie zum Ausgleich für seinen späten Start war im hohen Alter unvermindert produktiv. Neben unzähligen Gedichten folgten die Romane “Unwiederbringlich“ (1891), “Frau Jenny Treibel“ (1892) und “Effi Briest“ (1895). Letzteres Werk, ein Ehedrama, in dem der betrogene Ehemann sich duelliert, gewinnt, aber damit nicht zufrieden ist, sondern auch seine Frau und damit sein privates Glück seiner Prinzipientreue an Moral und Treue opfert, wurde und ist heute noch Fontanes bekanntestes Buch. “Der Stechlin“, Fontanes letztes Werk, das „einerseits auf einem altmodischen märkischen Gut, andererseits in einem neumodischen gräflichen Hause“ in Berlin spielt, „eine Plauderei über Alt und Neu auf 500 Seiten“ (Fontane), wurde 1897 in der Zeitschrift „Land und Meer“ vorabgedruckt und 1899 posthum als Buch veröffentlicht.