13. Juli 1698: Erfolgreicher Modellversuch: August Hermann Francke gründet modernste Schule Preußens in Halle an der Saale
Bereits 1695 richtet der Theologe August Hermann Francke in dem elenden Städtchen Glaucha bei Halle an der Saale in seinem Pfarrhaus eine Armenschule ein. Auch für dieses Projekt übernimmt Friedrich III. 1698 mit einem kurfürstlichen Edikt die Schirmherrschaft. Darin heißt es:
„Wir Friedrich der Dritte/ von Gottes Gnaden... (usw.)...Thun kund/ und fügen hiermit zu wissen; Demnach Uns die von M.Francken/ Professore Ordinario Theolog.&Philosoph. bey Unserer Universität zu Halle zu Erziehung und Verpflegung der Armen zu Glaucha an Halle gemachte Anstalt/ und Verfaßung unterthänigst vorgetragen worden; Und WIR an sothanen Gott zu Ehren/ zu des Landes Besten/ und vielen Armen zum trost wohlgefaßen/ nützlichen und rühmlichen Werck/ nicht allein ein Gnädigstes Vergnügen tragen/ sondern auch selbiges zu secundiren/ zu unterhalten/ und nach Möglichkeit zuverbeßern Gnädigst gemeynet seynd: Als haben WIR zu dem Ende darunter nachfolgende Versehung gethan/ und zwar I. Wollen und verordnen WIR hiermit und Krafft dieses/ daß gleich wie solches Werck von M.Francken privatim angelegt worden/ also solches hinkünfftig unter Unserm Namen/ Schutz und Authorität geführet/ und als ein publiques Werck consideriret werden soll.“
Die Privilegien, wie Steuervergünstigungen, kommunale Zuwendungen, Befreiung von Zunft- und Handelszwängen, tragen dazu bei, dass die Franckeschen Anstalten bald zu einer prosperierenden Einrichtung werden. Der Pietist Francke, der seine prächtigen Einrichtungen als „Stadt Gottes“, als ein „neues Jerusalem“ bezeichnet, hat ein neues umwälzendes Programm: Ausbildung der Armen, statt Verwahrung. Dabei bleibt der Mann politisch nicht im diakonischen Ansatz stecken. Er strukturiert seine Schulen entsprechend der Dreiständegesellschaft Preußens. In einer Anstalt werden zukünftige Führungskräfte aus dem Adelsstand herangezogen. Einer von ihnen ist Hans Hermann Katte, der später als Freund Friedrichs II. für seine Hilfe bei dessen Fluchtversuch hingerichtet wird. Das Pädagogium bildet zukünftige Lehrer aus und bereitet auf das Studium vor, meist an der von Friedrich I. gegründeten Halleschen Universität. Daneben existieren Real- und Bürgerschulen, die nicht nur von wohlhabenden Kindern, sondern auch von Mittellosen und Waisen besucht werden können. Geradezu bahnbrechend ist, dass nicht nur traditionell Bibelkunde, Religion, Sprachen, Rechnen, Lesen und Schreiben unterrichtet, sondern auch, dass Kenntnisse in allen Bereichen des praktischen Lebens vom Häuserbau, über das Manufakturwesen bis zum Kennen lernen und Respektieren fremder Völker und deren Lebensweisen vermittelt werden. Ebenso umwälzend ist die Verkopplung der Einrichtung mit Wirtschaftsunternehmen, in denen die Insassen der Anstalten produktive Arbeit verrichten. So verfügen man über eine Landwirtschaft mit Viehhandel, Backhaus, Brauhaus, eine Apotheke, eine Druckerei plus Verlag und eine Bibelanstalt. Die daraus erzielten beträchtlichen Erträge gesellen sich zum jährlichen Spendenaufkommen. So sind die Franckeschen Anstalten, wie die Bilanzen ausweisen, immer in den schwarzen Zahlen.
Dieses Modell, Pietismus plus Frühkapitalismus, wird später unter dem Soldatenkönig mit dem Berliner Lagerhaus und dem angeschlossenen Waisenhaus zum Staatsbetrieb ausgebaut. Schüler Franckes und deren Schüler prägen als Lehrer, Feldprediger, Offiziere, Militärärzte, Beamte und Pfarrer zunehmend preußische Amtsstuben, Kasernen, Gemeinden, Lazarette, Schulen.