11. Juli 1700: Charlotte macht Leibniz zum Präsidenten der Berliner Akademie der Wissenschaften
Eine Königin und ein Bürgerlicher, das ist nicht nur ungewöhnlich, sondern in der Regel auch anstößig. So argwöhnt mancher bei der tiefen Zuneigung, welche die sinnenfrohe preußische Königin Sophie Charlotte und den attraktiven Starphilosophen verbindet, eine Affäre. Dies wäre nicht ohne Pikanterie, pflegt der Gelehrte doch auch zu Sophies Mutter ein enges freundschaftliches Verhältnis. Ein gemeinsamer Sommeraufenthalt im Jahr 1698 in einem Jagdhaus bei Hannover mit Mutter und Tochter in nahezu privater Atmosphäre zeigt, dass man sich durchaus auch zu dritt gut versteht.
Berühmt für seine geistreichen Unterhaltungen, ist er einer der wenigen Gelehrten, die an europäischen Höfen akzeptiert werden.
“Es ist rar, dass gelehrte Leutte sauber sein undt nicht stincken..."
sagt die Herzogin von Orléans anerkennend über ihn. Er kleidet sich nach der Mode, beherrscht die höfische Etikette und pflegt in einer mit rosa Rosen bemalten Kutsche herumzufahren. In den Diensten ihrer Eltern in Hannover lernt er die zukünftige preußische Königin schon als kleines Mädchen kennen. Die Beziehung mit der hochgebildeten Sophie Charlotte vertieft sich, als er auf Drängen der Königin zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften berufen wird. Nun hat der Philosoph häufiger einen Vorwand, sich von Hannover loszueisen und nach Berlin zu kommen. Immer wieder schreibt die Königin flehentliche Briefe:
„...und hoffe, dass Sie bereits auf dem Sprung sind, abzureisen. Ich erwarte Sie mit Ungeduld in Lietzenburg“
oder „Was Sie zu kommen zwingt, ist ein Akt der Nächstenliebe.“ Im Schloss Lietzenburg (dem späteren Charlottenburg) hat die Königin einen glanzvollen Musenhof etabliert.
Hier werden Molière und Racine aufgeführt, Corelli widmet ihr seine Sonatensammlung op.5. Die Königin selbst spielt ausgezeichnet Cembalo, komponiert, dirigiert Opernaufführungen, bezaubert als Sängerin. Am meisten aber fesselt sie die Philosophie. Mit ihrer Skepsis und ihrem Wissenshunger treibt sie selbst den Philosophen zuweilen in die Enge.
“Es gibt keine Möglichkeit, Madame, Sie zufrieden zu stellen. Sie wollen das Warum vom Warum wissen.“
Sophie Charlotte lässt sich kein Bonmot entgehen, zumal wenn es auf den von ihr wenig geschätzten Gemahl zielt. Als er ihr den Begriff des absolut Kleinen zu definieren versucht, kontert sie:„Glauben sie, ich kenne meinen Mann nicht?“Wie auch immer dies zu interpretieren ist, auch der König hat seinen Spaß in Lietzenburg. Gelegentlich der Einweihungsfeier des Schlosses am 11.Juli 1699, seinem Geburtstag, kann Friedrich „sich nicht besinnen, sich jemals so freudig erwiesen zu haben.“ Zum Maskenball anlässlich der Stiftung der Akademie der Wissenschaften, ein Jahr später wieder an seinem Geburtstag, verkleidet sich der König als holländischer Matrose. Welches Kostüm Leibniz getragen hat, ist nicht bekannt, wohl aber, dass ihn das liederliche Leben zuweilen anstrengte. In seinem Werk hat er Sophie Charlotte, die leider schon 1705 mit 36 Jahren stirbt, ein Denkmal gesetzt. Seine 1710 erschienenen "Essays de Théodicée", stark beeinflusst durch Gespräche mit der Königin, hat er seiner von ihm verehrten Verehrerin gewidmet.