9. Mai 1688: Erbansprüche gefährden Existenz von Brandenburg
Kurz vor seinem Tod läuft Friedrich Wilhelm Gefahr, sein Werk selbst zu beschädigen. Er hat in zweiter Ehe Dorothea von Holstein-Glücksburg geheiratet, die für ihre Söhne ein Erbe beansprucht. Schon im April 1680 berichtet ein Gesandter vom Berliner Hofe nach Paris:
Seit geraumer Zeit, Sire, strebt die Kurfürstin eine Art Teilung der Staaten Brandenburgs zugunsten ihrer Kinder und zum Nachteil der Kinder aus erster Ehe an. Und im August 1680 berichtet der selbe Rébenac: Vor einigen Tagen nahm mich der Kurprinz beiseite, den man stets so unterwürfig gesehen hat, wie es ihm ansteht, um mir zu sagen, dass sein Vater beschlossen hätte, seine Staaten zugunsten seiner Kinder aus zweiter Ehe aufzuteilen; dass er jedoch ein Gelingen wohl vereiteln werde...
Tatsächlich hat sich der Kurfürst in den Testamenten von 1680 und 1686 auf Drängen von Dorothea entschlossen, beträchtliche Teile seines Staatsgebildes unter die vier Söhne aus zweiter Ehe aufzuteilen. Was er mühselig vereinheitlicht hatte, wäre so wieder zerbröckelt. Heftige Auseinandersetzungen über diese Regelung zwischen Friedrich Wilhelm und dem Kurprinzen Friedrich veranlassen den Kurfürsten sogar, Preußen aus dem Staatsgebilde herauszulösen und es dem ältesten Sohn aus zweiter Ehe zu versprechen.
Anfang Mai 1688 fühlt der Große Kurfürst sein Ende nahen. Er leidet an Gicht und Wassersucht. Noch am 7. Mai beruft er eine Sitzung des geheimen Rates ein. Die väterliche Ermahnung, die der Große Kurfürst am gleichen Tag, seinem Sohn auf den Weg mitgibt, kann als sein politisches Vermächtnis verstanden werden:
Ich fühle, daß ich zum letztenmal dem Rate beiwohne, denn die Sanduhr meines Lebens wird bald abgelaufen sein. Durch Gottes Gnade habe ich eine lange und glückliche, aber eine sehr mühevolle, von Unruhe und Kriegen erfüllte Regierung gehabt. Jedermann weiß, in welchem armseligen Zustande ich die Länder nach meines Vaters Tod fand. Durch Gottes Hilfe habe ich sie in besserem Stand gebracht und hinterlasse Dir den Staat in Frieden und Wohlstand, von seinen Feinden gefürchtet, von seinen Freunden geachtet. Ich zweifle nicht, Daß Du, mein Sohn, wie in der Regierung so auch in den Staatsgrundsätzen mein Nachfolger sein und mit allem Fleiße darauf bedacht sein werdest, den Ruhm, welchen ich Dir als Erbteil hinterlasse, zu bewahren und zu mehren. Mögest Du vor allen Dingen Gott vor Augen haben, Deine Untertanen herzlich lieben, treue Räte gern hören und das Heft der Waffen niemals aus den Händen lassen.
Bevor der Große Kurfürst am Morgen des 9.Mai in Berlin stirbt, gibt er zwei Parolen aus: “London" und“Amsterdam".Sie beziehen sich auf den ausstehenden Kriegszug des Prinzen von Oranien zur Erlangung der englischen Krone. Ihn zu unterstützen hatte der Kurfürst seinem Nachfolger ans Herz gelegt.
Friedrich III., wegen einer Verwachsung später der „ Schiefe Fritz"genannt, gelingt es mit Hilfe des Kaisers Leopold I. die bedrohlichen Erbregelungen zu seinen Gunsten zu klären. Allerdings hat dies seinen Preis. Die Ansprüche der Stiefbrüder werden mit einträglichen Ländereien und hohen Geldsummen abgefunden und dem Kaiser muss der Kurfürst militärische Unterstützung versprechen. Der nächste Krieg mit Frankreich um die spanische Erbfolge steht vor der Tür.
Mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit hat der Kurfürst in seiner 48-jährigen Amtszeit seine ausgeplünderten und ruinierten Länder wieder aufgerichtet. Er hat ein stehendes Heer und dessen Finanzierung etabliert, Machtpotenzial für alles weitere politische und militärische Handeln Preußens. Aus den zersplitterten Landesteilen hat er ein zentral verwaltetes Ganzes gemacht und damit das Fundament für ein zukünftiges zentralistisch regiertes und verwaltetes Königreich gelegt. Seine Nachfolger müssen nur noch ergänzen und vervollkommnen, was Friedrich Wilhelm geschaffen hat.
“Er ward der Neubegründer und Verteidiger seines Vaterlandes, der Schöpfer von Brandenburgs Macht, der Schiedsrichter für seinesgleichen, der Stolz seines Volkes."
Friedrich II schreibt später. über seinen Urgroßvater:
“Durch weiten Blick und tiefe Einsicht ward er ein großer Staatsmann. Durch sein arbeitsames Leben und menschenfreundliches Wesen ward er ein guter Fürst. Den gefährlichen Verlockungen der Liebe war er nicht zugänglich; zärtliche Schwäche kannte er nur gegenüber der eigenen Gattin. Wein und Geselligkeit liebte er, doch gab er sich niemals der Schlemmerei hin. Sein lebhaftes, gern aufbrausendes Temperament konnte ihn fortreißen..."
charakterisiert ihn dann der Urenkel weiter.
Die erste Seite der 1667 geschriebenen “Väterlichen Ermahnung" zählt die wichtigsten Themen der Unterweisung auf:
“Die Vatterlichee liebe So Ich als ein Vatter Kegen [ gegen] seinen Sohn undt zukunftigen Successoren trage, hatt mich verursacht, Ihme einige auß langer erfahrenheit nutzliche unterrichtungen zu hinterlassen, undt dieses kurtzlichen in die Feder zu fassen, in betrachtung, das es Ihme nottig, undt dienlich zu wissen ist, Wie Er Seine gantze Regirung führen, wie er darin zuforders gegen Gott, Seines gleichen, wie auch gegen Seine, Ihme von Gott Untergebene und anvertrautte Unterthanen, in Kirchen undt veltlichen Regimendt, Sich zu verhalten, was für Rähtte Er gebrauchen, wie er im Rahtte Votiren lassen solle, auch wan und wie er das conclusum nehmen solle, Mit welchen Er in Alliace sey, undt mitt wehme Er solche noch zu machen habe, undt wie der Cammerstadt [ Finanzen] verbessert werden kann, was an conservation der Vestungen gelegen, bemannungen der Vestungen so ahn itzo sein, und was für Ortter bequemlich zu Versicherung undt communication der Landen angelegt werden konnen, was für garnisonen in Friedens undt Kriegszeitten darin nottig, darnehbenst die Unterhaltung der Magasinen undt dessen Vermehrung: So trage ich gantz keinen Zweiffell daß in diessen aufsatz genugsahm begriffen sein wirdt. wie der gantze Staadt gefuhret werden muß, hoffe auch das mein Sohn solches gebuhrend beobachten werde, wodurch Er dan diesses erlangen wirdt, daß ihm seine Regirung nicht schwer sondern gantz leicht für kommen auch solches von seinen Dienern nicht zu lernen haben wirdt, sondern selbst die Wissenschaft haben kann."