Heinrich von Treitschke
15.9.1834 in Dresden
28.4.1896 in Berlin
Historiker, Publizist
Der Historiker Heinrich von Treitschke wurde am 15. September 1834 in Dresden als Sproß einer adeligen sächsischen Offiziersfamilie geboren. Treitschke studierte in Bonn, Leipzig, Tübingen und Freiburg Staats- und Kulturgeschichte, Staatswissenschaften und Nationalökonomie. Er lehrte zuerst in Leipzig, Freiburg, Heidelberg und Kiel. 1873 wurde er auf den Lehrstuhl Leopold von Rankes nach Berlin berufen. Seine Vorlesungen waren sehr beliebt, doch konnte er keine Seminare halten, da er fast taub war.
Treitschke war ein äußerst einflussreicher Historiker und politischer Publizist. Viele seiner Aufsätze erschienen über mehr als drei Jahrzehnte von 1859 bis 1889 in den „Preußischen Jahrbüchern“, in denen sich liberale, national-kleindeutsch gesinnte Akademiker zu Wort meldeten. In einer seiner frühen Schriften kritisiert er die starke Stellung von Adel und Beamtentum in Preußen und fordert, dass der Staat im Einklang mit der Mehrheit seiner Bürger sein müsse. Allerdings verlangt er keine demokratische Repräsentation, da die „Germanen“ unter Freiheit eher Freiheit der Persönlichkeit als Ausübung der staatlichen Macht verstünden. Nachdem er Bismarck wegen seines Kurses im Verfassungskonflikt zunächst abgelehnt hatte, wuchs seine Zustimmung für die Politik des Kanzlers immer mehr. Dabei verschob er den Akzent in seinen Aufsätzen zunehmend von der Mehrheit des Volkes auf die Macht des Staates: „das Wesen des Staates [ist] zum ersten Macht, zum zweiten Macht und zum dritten Macht“, und Preußen soll nach dem Verfassungsbruch zur Freiheit zurückkehren, weil es „eine Machtfrage für Preußen“ darstelle.
Der Staat Bismarcks schützte die Bürger vor Feinden von außen wie von innen, etwa den von „Neid und Gier“ getriebenen Sozialisten, „eine[r] Partei der Verwilderung, der politischen Zuchtlosigkeit und des sozialen Unfriedens“. Auch die Juden stellten laut Treitschke eine Bedrohung dar. Er entfachte den Antisemitismusstreit. Die berüchtigte Losung „Die Juden sind unser Unglück“ prägte Treitschke, in dem ihm Theodar Mommsen entgegentrat.
In der Außenpolitik vertrat Treitschke, der von 1871-84 erst nationalliberales, dann parteiloses Mitglied des Reichstages war, eine expansive Politik, da der Zweck des Staates und seiner Politik Macht sei. Krieg entspreche also dem Wesen des Staates, Frieden war „ein unmögliches und zugleich unsittliches Ideal.“ Wenn es auch Regeln im Krieg gäbe, so Treitschke, dann gälten diese aber nicht für nichtweiße Rassen, mit denen es die europäischen Mächte bei ihren kolonialistischen Unternehmen zu tun bekamen und die wegen ihrer natürlichen und kulturellen Minderwertigkeit keine Rücksicht verdienten.
Gemäß der Theorie eines weltweiten statt nur europäischen Gleichgewichts müsse Deutschland eine Seemacht werden, Großbritannien sei in Zukunft der Hauptgegner.
Treitschke war trotz dieser Ansichten, die auf ein breites Echo stießen, immer auch ein Liberaler geblieben. Dennoch ist diese in eine Richtung zugespitzte Zusammenfassung dadurch gerechtfertigt, dass gerade diese Ideen über seinen Tod hinaus wirkten.
Heinrich von Treitschke, kurz vor seinem Tod noch in die Preußische Akademie der Wissenschaften berufen und Herausgeber der „Historischen Zeitschrift“ geworden, starb 1894 in Berlin.