Karte 1763

Kartoffelanbau

Die Spanier lernten die Kartoffel als Kulturpflanze bei ihren Eroberungszügen (1525-1543) durch Peru und Chile kennen. Sie brachten um 1555 die ersten dieser rotschaligen, violett-blühenden Pflanzen nach Spanien. Etwa zehn Jahre später wurden gelbschalige Kartoffeln mit weißen oder violetten Blüten von Venezuela nach England und Irland eingeführt. Bei der Ausbreitung über Europa vermischten sich die Sorten. Carolus Clusius pflanzte 1589 die ersten Kartoffeln in Deutschland. Der Gelehrte, Arzt und Botaniker war es auch, der dank seiner Beziehungen zu anderen Botanikern und reichen Bürgern für ihre Verbreitung sorgte. Zuerst wurde die Kartoffel als Zierpflanze in Gärten gehalten. Auch als Heilmittel war sie bekannt, doch wurde sie als Nahrungsmittel nicht verwendet. Man verwies auf die Giftigkeit des Nachtschattengewächses und glaubte, daß man vom Verzehr der im Dunkeln unterirdisch gewachsenen Frucht blind werden, sich allerlei Krankheiten zuziehen, ja gar von der Syphilis heimgesucht werden könne. Wegen der angenommenen Schädlichkeit war der Kartoffelanbau nicht gerade verboten, doch fiel die giftige Knolle sozusagen unter ein ungeschriebenes Drogengesetz. Möglich, daß die Kartoffel zur Eigenversorgung während des 30-jährigen Krieges in den Hausgärten Süddeutschlands gepflanzt wurde, doch wissen wir über ihren Verbleib bis zu Friedrich II., der in Preußen den Kartoffelanbau einführte, wenig. Der sandige Boden (" Streusandbüchse Brandenburg") in Mitteldeutschland schien dem preußischen König zu Recht für den Kartoffelanbau besonders geeignet, ergab er doch die dreifachen Erträge gegenüber des Anbaus von Getreide. Außerdem sind Kartoffeln zwar unkrautanfällig und machen deshalb viel Arbeit, können aber auf kleiner Fläche, in einem Garten angebaut werden, weshalb sie auch den armen Bauer ernähren konnten, und nicht nur den Besitzer von Feld und Acker. Bedingt durch die aus Krieg und Mißernte resultierende Not, erließ Friedrich II. 1756 den "Kartoffelbefehl“, der die Bauern zum Anbau der Kartoffel zwang. Außerdem förderte der König auch das Kleingartenwesen, und schließlich wurden sogar im Berliner königlichen Lustgarten Kartoffeln angebaut. 1775 wird per Dekret Friedrichs II. nach einer Hungersnot der großflächige Kartoffelanbau in Preußen eingeführt, damit einher geht eine grundsätzliche Nahrungsumstellung in Preußen von Brot auf Kartoffel. Als sich der Kartoffelanbau flächendeckend über Deutschland ausgebreitet hatte, blieb Preußen der Hauptlieferant. Bei so einer wichtigen nationalen Angelegenheit wie die Kartoffel sie darstellt, konnte natürlich ein preußisch-bayerischer Gegensatz nicht ausbleiben. Nach einer anderen Darstellung sollen die freiheitsliebenden Bayern schon während des ganzen 17. Jh. die Kartoffel gegen den Willen der Obrigkeit angebaut und heimlich auch gegessen haben. Nachgewiesen ist der Anbau für einige bayerische Gegenden, etwa Pilgramsreuth, Landkreis Hof, auch für das Markgrafentum Bayreuth. Dort, im tiefsten Bayern, soll Friedrich II. 1743 bei seiner Schwester Wilhelmine Kartoffeln vorgesetzt bekommen und – ganz aufgeklärter Fürst – in einem mutigen Selbstversuch mit der Drogenknolle sofort deren ernährungspolitischen Wert erkannt haben, weshalb er – jetzt wiederum ganz der absolutistische Herrscher - mit dem festen Vorsatz zurückreiste, in Preußen den Anbau der als ungefährlich erwiesenen Frucht und die gesamtpreußische Nahrungsumstellung zu befehlen. Wenn heute die Bundesrepublik der größte Kartoffelproduzent innerhalb der EU ist, so sollten wir uns daran erinnern, daß dies nur möglich geworden ist durch einen Tag vor über 250 Jahren, an dem Bayern und Preußen sich am Mittagstisch über alle Gegensätze hinweg die Hand, resp. den Teller mit Kartoffel reichten - ein von der Geschichtsschreibung bisher wenig beachtetes Datum, daß vielleicht aber lohnen würde, mit einer jährlichen kleinen gesamtdeutschen Feier gewürdigt zu werden.