Karte 1922
Heinrich von Stephan Heinrich von Stephan

Heinrich von Stephan
"Post-Bismarck"

geboren7.01.1831 in Stolp (Pommern)

gestorben04.8.1897 in Berlin

Heinrich von Stephan war das achte Kind eines Schneiders und Gastwirts aus Stolp in Pommern. Die Reifeprüfung bestand er vorzeitig mit ausgezeichneten Leistungen. Ihn faszinierte alles, was über Kommunikation und Verkehr nur zu erfahren war. Ein kleiner Globus in seinem heimischen Zimmer lenkte seine Phantasien auf verbesserte Verbindungen der Menschen untereinander. Das Berufsziel war schnell verkündet, und sein Ausspruch als 17jähriger Postanfänger ist belegt: „Ein schlechter Kerl, der nicht denkt, General- Postmeister zu werden!“ Die Prüfungen für die höheren Verwaltungsstellen bestand Stephan 1855 mit Auszeichnung. Seine außergewöhnliche Postbeamten- Karriere vollzog sich nun mit unerhörtem Tempo aber auch auf Umwegen. 1856 begann er im Generalpostamt Berlin, wurde aber aufgrund von Differenzen bald nach Köln strafversetzt. Dort lernte er die Unübersichtlichkeit der postalischen Verhältnisse im Deutschen Bund kennen. Er fand Eingang in die Kölner Gesellschaft und schrieb nebenbei Theater- und Konzertkritiken. Nachdem er 1855 die Verwaltungsprüfung bestanden hatte, ging es mit seiner Karriere steil aufwärts. Beförderung zum Postrat, dann Oberpostrat, Geheimer Postrat und Vortragenden Rat, 1868 schließlich Geheimer Oberpostrat. 1856 wieder ins Berliner Generalpostamt zurückbeordert, widmete er sich intensiven historischen Studien und veröffentlichte 1859 sein 800 Seiten starkes Standardwerk "Die Geschichte der preußischen Post". Seine umfassenden Kenntnisse des Postwesens machten ihn zum profunden Verhandlungsführer des preußischen Generalpostamtes beim Aushandeln von Verträgen mit deutschen und ausländischen Regierungen. Vor dem Hintergrund der preußischen Expansionsbestrebungen hatte seine Verhandlungstätigkeit immer stärker politischen Charakter. Eines seiner diplomatischen und logistischen Glanzstücke war 1867 die Eingliederung der Thurn- und Taxischen Postverwaltung in die preußische Postverwaltung, womit Preußen Anspruch auf die Reichspost erhob. Dieser Führungsanspruch realisierte sich weitgehend mit der Gründung des Norddeutschen Postbezirks 1867, dem neben den staaten des Norddeutschen Bundes durch Verträge Baden, Württemberg, Bayern, Österreich und Luxemburg angeschlossen waren und in dem einheitliche Tarife galten. 1870 wurde von Stephan Generalpostdirektor des Norddeutschen Bundes und ein Jahr später Generalpostmeister des neu gegründeten Deutschen Reichs. Viele bedeutende Ehrungen sind dem preußisch stolzen, universell gebildeten, geist- und humorvollen Manne auf Grund seiner enormen Verdienste zuerkannt geworden, darunter 1885 der erbliche Adelstitel.

Als Heinrich von Stephan 1871 die zersplitterten Postinstitute zur Reichspost zu vereinigen hatte, glückte ihm diese Jahrhundertaufgabe ohne Fehl und Tadel. Die zahlreichen abgekapselten und dringend reformbedürftigen Territorialposten wurden "zusammengeschmolzen" mittels des Reichspostgesetzes von 1871, das deutlich Stephans revolutionierenden Geist erkennen ließ. 1876 gelang ihm die Vereinigung der Reichspost mit der Reichstelegraphenverwaltung. Seine größte Leistung war 1878 das Zustandebringen des Weltpostvereins. 1880 wurde Stephan Staatssekretär des Reichspostamtes, 1885 Staatsministers. Im gleichen Jahr gelang ihm auf einer internationalen Telegraphenkonferenz in Berlin die Durchsetzung einheitlicher Tarife. Bis heute gültige Postnormen wurden von ihm neu eingeführt bzw. vereinheitlicht: der für ganz Deutschland geltende Postzwang (Reichspostprivileg), das billige, überall gleich erhobende Groschenporto für Briefe, das Briefgeheimnis, der vereinfachte Tarif für Pakete, die Haftpflicht der Post, die Postanweisung und das Postmandat für Geldbeträge, die Bücherpost. Eine der originellen Stephanschen Erfindungen war die Postkarte!

Heinrich von Stephan wird zu Recht als der Begründer und Organisator der Reichspost angesehen. Nicht ohne Grund nannte man ihn den "Post-Bismarck", allein schon wegen seiner recht autokratischen Arbeitsweise wie auch wegen seines stets guten Verhältnisses zu Bismarck. Jeder Postbeamte oder Angestellte wurde lange Zeit "Stephans-Jünger" genannt. Sozialen Forderungen der Postangestellten widersetzte sich Stephan, der für seinen patriarchalisch-autoritären Führungsstil berüchtigt war. Er sprach sich gegen die Sonntagsruhe der Postämter, gegen höhere Besoldung und gegen die Beschäftigung von Frauen im Postwesen aus. Sein berühmt-berüchtigter "Hirtenbrief" vom Juli 1888 enthält detaillierte Anweisungen über die Behandlung der Mitarbeiter.
Die oft als etwas aufwendig angesehenen "Stephansbauten" der Post waren Zeugen seines repräsentativen Stils. Da er auch das Telegrafenwesen übernommen hatte, war er für alle technischen Neuerungen auf dem Gebiet des Nachrichtenwesens aufgeschlossen. Um die stark benutzte Rohrpost zu ersetzen, bemühte er sich um die Einführung des Telefons. Mit seiner Devise "Jedem Bürger sein Telefon" kann er auch als Vorreiter moderner Telekomunikationsdienstleistungen angesehen werden.

Mit dem Abschied Bismarcks 1890 sank auch Heinrich von Stephans Stern. 1897 verteidigte er noch im Reichstag den Etat seiner Reichspostbehörde. Im gleichen Jahr starb er, schwer diabeteskrank, nach einer Beinamputaion. Er ist auf dem Friedhof der Dreifaltigkeitskirche am Halleschen Tor in Berlin begraben.

Heinrich von Stephan