Deutscher Flottenverein
Am 30. April 1898 gegründet, war der Verein im Gegensatz zu den bis dahin schon existierenden Marine-Vereinigungen, die nur Marine-Mitglieder vertraten, offen für alle Marine-Begeisterten. 1909 hatte der Verein bereits 1 Million Mitglieder in 5000 Ortsvereinen. Ziel des Vereins war es, in der Bevölkerung eine breite Zustimmung für das von Wilhelm II. betriebene Flottenbauprogramm herbeizuführen, mit dem die deutsche Kriegsmarine zur führenden Seemacht aufgerüstet werden sollte. Unterstützt wurde der Verein dementsprechend vom Kaiser selbst, vom Reichmarineamt unter Leitung von Alfred (von) Tirpitz, der das Amt zur Propagandazentrale für seine Flottenpläne ausgebaut hatte und den Verein reichlich mit Vorträgen, Veranstaltungen und Werbeschriften versorgte, und von Industriellen, namentlich von Vertretern der Schwerindustrie wie etwa Friedrich Alfred Krupp. Ein Freund des Letzteren, Victor Schweinburg, wurde denn auch Erster Sekretär, musste allerdings bald gehen, weil er freimütig verlauten ließ, der Verein sei "gar nicht wegen der Flotte, sondern zur Hebung der Schiffsindustrie geschaffen worden". Den Zusammenhang von Flottenbau und Wirtschaftsinteressen beleuchtet jedoch auch ein Brief, den Otto Fürst zu Salm, Präsident des Flottenvereins, am 3. Dezember 1901 an Alfred von Tirpitz richtete, worin er schrieb, er sei "von Herren verschiedener Parteirichtungen" gebeten worden, an die Regierung die Bitte zu richten, "angesichts der schlechten Konjunktur und der ungünstigen Geschäftslage von Handel und Industrie und der damit zusammenhängenden Arbeitslosigkeit vieler Tausender von Arbeitern den Bau von Kriegsschiffen in möglichst beschleunigtem Tempo herbeizuführen". Der Fürst wandte sich auch direkt an den Kaiser, um sich für noch höhere Flottenvorlagen einzusetzen. Der Popularität des Vereins tat allerdings auch die Verbindung zum Krieg, die im Ausbau der deutschen Kriegsflotte angelegt war, keinen Abbruch. Im Gegenteil, machte sich der Verein ganz zum Instrument der mächtigen Marinelobby, indem er deren englandfeindliche Haltung übernahm. Tatsächlich schaffte es der Verein, von der deutschen Küste bis ins fernste Bayern und Schwaben in der Bevölkerung eine nie dagewesene Marinebegeisterung auszulösen. Eltern kleideten ihre Jungen in Matrosenanzüge und die Mädchen in "Kieler Kleidchen". Auf vielen Spielplätzen standen Nachbauten der deutschen Kriegsschiffe zum frühen Anschaungsunterricht. Bei so viel Enthusiasmus mussten die kritischen Stimmen, die es auch gab, vor allem aus den Reihen der Sozialdemokraten, die vor einem Wettrüsten warnten, ungehört bleiben. 1914 erreichte die Zahl der Mitglieder mit 1,1 Millionen ihren höchsten Stand. Nach 1918 bedeutungslos geworden, wurde der Verein 1934 aufgelöst.