Karte 1866
Ludwig Jahn Ludwig Jahn Ludwig Jahn Friedrich Ludwig Jahn

Friedrich Ludwig Jahn
"Turnvater"

geboren11.8.1778 in Lanz/Prignitz

gestorben15.10.1852 in Freyburg a.d. Unstrut

Pädagoge/Politiker

Jahn wurde im Dorfe Lanz (bei Lenzen/Prignitz) in Brandenburg als Sohn eines protestantischen Pastors geboren. Über seine kurze Schulzeit in Salzwedel ab 1791 und Berlin, wo er 1794 das Gymnasium zum Grauen Kloster besuchte, ist bekannt, dass er ein schwieriges Kind und kein guter Schüler war, der den Lehrern wegen seiner Schroffheit und seines selbstherrlichen Auftretens unangenehm auffiel, was insgesamt wohl als ein Hinweis auf Probleme im Elternhaus zu deuten ist. Ohne Schulabschluss studierte er ab 1796 Theologie in Halle und trat dem geheimen studentischen Orden der „Unitisten", gegründet 1774, bei. Die Ordenskonstitution verpflichtete zu Verschwiegenheit, Bruderliebe und -hilfe, Tüchtigkeit, Zurückhaltung bei Duellen und Studienfleiß. Von Studienfleiß konnte bei Jahn jedoch keine Rede sein. 1799 las er versteckt in einer Höhle am Giebichenstein in Halle, den utopischen Staatsroman „Dya-Na-Sore oder die Wanderer" von Wilhelm Friedrich von Meyern. Das ist die einzig verbürgte Lektüre aus dieser Zeit. Meyerns Ausführungen über Nationalerziehung, Wehrpflicht und Bürgerbeteiligung am Staatswesen überzeugten Jahn, der das Buch als sein künftiges Glaubenskonzept bezeichnet haben soll. Er verfasste eine Schrift mit dem Titel "Über die Beförderung des Patriotismus im Preußischen Reiche", die er in schlimmster Geldnot für 10 Taler an einen Studenten Höpffner verkaufte, unter dessen Namen sie 1800 erschien.

Als Student fiel Ludwig Jahn wegen Streitsucht und Gewalttätigkeiten auf. Welche Vorkommnisse seiner Exmatrikulation 1802 vorausgingen, lässt sich nicht feststellen. Jahn setzte sein Studium zunächst unter falschem Namen an der damals schwedischen Universität Greifswald fort, an der er Vorlesungen der philosophischen Fakultät hörte, bevor er nach 13 Semestern die Universität ohne Abschluss verließ. Zwischen 1803 und 1809 hat Jahn als Kurier und gelegentlich als Hilfslehrer gearbeitet. Er organisierte Wanderungen, Spiel- und Badenachmittage. „Zerrissene Kleider und blutige Köpfe waren dabei alltägliche Erscheinungen. Abhärtung gegen jede Unbill der Natur, Übung aller Kräfte mit Hinwendung auf die Notwendigkeit, die deutsche Nation zu einer mannhaften, dem Feinde gewachsenen, wiederzuerziehen, war überall sein Augenmerk. Dabei hatte er von seinen politischen Absichten schon damals kein Hehl gemacht (...)", berichtete ein Freund Jahns. 1806, nach dem Sieg Napoleons bei Jena und Auerstedt, hielt Friedrich Ludwig Jahn, der sich noch einmal ein Semester als Student versuchte, vor der Göttinger Studentenschaft eine politische Rede, auf der er zum ersten Mal öffentlich die Freiheit des Vaterlandes und Leibesübungen als Mittel der Charaktererziehung forderte. 1807 besuchte er den Pädagogen Johann Christoph Friedrich Guts Muths (1759-1839) in Schnepfenthal (Thüringen), der dort Erzieher war und bereits 1793 eine "Gymnastik für die Jugend" als Grundlage für die Leibeserziehung junger Menschen zu "würdigen Vaterlandsverteidigern“ geschrieben und neben seiner Schule den ersten Sportplatz in Deutschland hatte anlegen lassen. Der Besuch gab Ludwig Jahn einige Anregungen. 1809 ging Jahn nach Berlin, 1810 erschien seine Schrift „Deutsches Volksthum", eine Sammlung dessen, was er über Deutschtum, Volk, Kultur, Vaterland, Nationalgefühl und Volkserziehung zusammengetragen hatte. In der Berliner Hasenheide ließ er 1811 einen öffentlichen Turnplatz anlegen. Neben der Leichtathletik wurde das Turnen an den Geräten wie Pferd, Klettergerüst, Ringe und Schwebebalken, die er von den Philanthropen übernommen hatte, bevorzugt. Neu entwickelt hatte Jahn das Barren- und Reckturnen, aber ebenso zog er Schwimmen, Fechten und Wandern in seine Übungen ein. Bereits 1812 entstand aus dem losen Turnbetrieb eine fest organisierte Turngesellschaft mit Gesetz und Ordnung. Das Turnen wurde damit die erste öffentliche Einrichtung des organisierten politischen Nationalismus. Zu den Besonderheiten der nationalen Turnbewegung, wie sie durch Jahn vertreten wurde, gehörten die Aufhebung ständischer Schranken im Umgang miteinander und das Tragen einheitlicher Turnkleidung (grauer Drillichanzug). Seit 1813 setzte sich die Bezeichnung „Turnvater Jahn" durch. Ein Zeitgenosse charakterisierte Jahn wie folgt: „Man sah ihn nicht viel anders als in seiner Turnkleidung mit nacktem Halse und unbedeckter kahler Glatze, die feinen Augen fest in die Weite gerichtet. Seine Ausdrucksweise war kurz, derb, oft voll selbstgeschaffener, aber sehr bezeichnender Worte. Sein Witz war in der Regel ebenso beißend, wie treffend; die Franzosen haßte er wüthend. Die turnende Jugend enthusiassmierte er und sie folgte ihm blindlings (...)".

Mit dem Beginn der Befreiungskriege 1813 traten viele Turner, auch Friedrich Ludwig Jahn, als Freiwillige in das Lützowsche Freikorps ein. Nach erfolgreichem Ende des Krieges wurde Jahn für seine Verdienste ein Ehrensold zugesprochen, der ihn für den Rest seines Lebens absicherte und der Not eines Brotberufes enthob. Die nationale Turnbewegung begann sich jetzt erst richtig zu entwickeln. Auf der Berliner Hasenheide fanden regelmäßige Turnveranstaltungen statt. Nationale Ansprachen, Rezitationen und vaterländische Lieder umrahmten den Übungsbetrieb. Vorturner wurden ausgebildet und trugen den Sport in andere Regionen. 1815 gründeten Studenten (Turner und ehemalige Lützower) in Jena nach Jahns Ideen die erste deutsche Burschenschaft. 1816 veröffentlichte Friedrich Ludwig Jahn gemeinsam mit Ernst Eiselen: "Die Deutsche Turnkunst", ein Buch über das Turnen und die Ausstattung von Turnplätzen, das ein getreues Spiegelbild des Turnbetriebes auf der Berliner Hasenheide war und zum Bestseller wurde. Er hielt Vorträge zum "deutschen Volkstum" und beteiligte sich an den Vorbereitungen zum Wartburgfest 1817. Die Karlsbader Beschlüsse brachten Turner und Burschenschaftler in den Verdacht der Staatsfeindlichkeit. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. verbot 1819 das öffentliche Turnen in Preußen und schloss die Turnanlage in der Berliner Hasenheide. 1825 wurde Friedrich Ludwig Jahn, der weiterhin für einen deutschen Nationalstaat agitierte, wegen staatsfeindlicher Äußerungen verhaftet und in der Festung Kolberg inhaftiert. Jahn sagte rückblickend auf diese Verhaftung, dass er bei Anlegung der Ketten den „Glauben an die Menschheit" verlor. Jahn wurde zu zwei Jahren Haft wegen „frecher Äußerungen gegen Staat und Verfassung" verurteilt. In der Berufungsverhandlung konnte er einen Freispruch erwirken, erhielt aber ein Aufenthaltsverbot für Berlin und andere Universitäts- und Gymnasialstädte. Der Dichter E.T.A. Hoffmann, der nach 1814 als Richter am Kammergericht Berlin angestellt war, hatte mit über den Fall Jahn zu entscheiden gehabt und sich für ihn eingesetzt. Ludwig Jahn ging nach Freyburg/Unstrut und stand fortan unter polizeilicher Aufsicht. Das Turn- und Burschenschaftswesen agitierte im Geheimen weiter. Jahn nahm Kontakt zu Merseburger Gymnasiasten auf, weswegen er 1828 zeitweilig ins thüringische Kölleda verwiesen wurde.

Mit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. (1840) wurde Ludwig Jahn rehabilitiert. 1842 erfolgte die Wiederzulassung des öffentlichen Turnens und die Einrichtung des Turnens als Schulfach. 1848 wurde Ludwig Jahn im Merseburger Wahlkreis zum Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Seine 1849 gehaltene Parlamentsrede war eine Rückschau auf sein Lebenswerk: „Mein Schild führt drei Farben: Schwarz-rot und gold, und darin steht Ehre, Freiheit, Vaterland (...) In diesem Geiste habe ich nachher die Turnerei hervorgerufen und die Burschenschaft, wovon ich 1798 gesprochen und 1811 die Ordnung und Einrichtung einer allgemeinen Burschenschaft in Deutschland umhergesendet, bis sie 1815 in Jena ins Leben getreten (...) so halte ich das jetzt für die größte Genugtuung meines langen Lebens und Strebens, daß ich endlich einmal in öffentlicher Versammlung als Vertreter des deutschen Volkes reden kann für die Einheit und Freiheit Deutschlands." Friedrich Ludwig Jahn starb im Alter von 74 Jahren.

Friedrich Ludwig Jahn