Der König legt einen Eid auf die Verfassung ab
11. November 1848: König Friedrich Wilhelm IV. wendet sich an die Bevölkerung Berlins. Am Tag nach der militärischen Besetzung der Stadt verspricht der Monarch mit einer Proklamation „mit Gottes Hülfe ein guter konstitutioneller König zu sein“.
Proklamation:
Preußen! Ihr, die Ihr noch feststeht in dem alten guten Vertrauen zu Mir, Ihr, die Ihr noch ein Gedächtnis habt für die Geschichte Meines Königlichen Hauses und Seiner Stellung zum Volke, Euch bitte ich, daran ferner festzuhalten, in guten wie in bösen Tagen! – Ihr aber, die Ihr schon darin zu wanken beginnt, Euch beschwöre Ich Halt zu machen auf dem betretenen jähen Pfade, und abzuwarten die Thaten, die da folgen werden! – Euch Allen abe rgebe Ich nochmals die unverbrüchliche Versicherung, daß Euch nichts verkümmert werden soll an Euren konstitutionellen Freiheiten, dass es Mein eiligstes Bestreben sein wird, Euch mit Gottes Hülfe ein guter konstitutioneller König zu sein, auf dass wir gemeinsam ein stattliches und haltbares Gebäude errichten, unter dessen Dache zum Frommen Unseres Preußischen und ganzen Deutschen Vaterlandes, unsere Nachkommen sich ruhig und einträchtig der Segnungen einer echten wahren Freiheit Jahrhunderte lang erfreuen mögen!
Dazu wolle Gott Seinen Seegen verleihen!
Sanssouci, den 11. November 1848
Trotz aller bisheriger Heuchelei und arglistiger Täuschung: Diesmal hält der König sein Wort. Die am 5. Dezember 1848 „von oben“ erlassene Verfassung lässt zunächst auch kritische Zeitgenossen aufhorchen. Sie enthält viel von den Entwürfen, die einst in der (vom König auseinandergejagten) Preußischen Nationalversammlung erarbeitet wurden, u.a. eine Anzahl von Grundrechten, auch das allgemeine Wahlrecht soll bestehen bleiben. Das Parlament erhält mit der Einrichtung eines Herrenhauses für den Adel eine zweite Kammer. Jedoch: diese liberal erscheinende Verfassung lässt die Machtposition des Königs unangetastet. Das Staatsministerium, also die Regierung ist nur dem Monarchen rechenschaftspflichtig. Friedrich Wilhelm IV. behält sich das absolute Vetorecht bei allen Beschlüssen des preußischen Landtages vor und kann das Parlament jederzeit auflösen
Die „ Oktroyierung“ der Verfassung ist bei aller Aufgeklärtheit des Monarchen auch ein politischer Winkelzug. Friedrich Wilhelm IV. möchte einen Teil des kritisch gestimmten liberalen Bürgertums für sich gewinnen und seine nachrevolutionäre Herrschaft nicht allein auf die Macht der Waffen gründen. Am 6. Februar 1850 ist es soweit: Zum ersten Mal schwört ein preußischer König "von Gottes Gnaden", sich an die Buchstaben einer von Menschenhand geschriebenen Verfassung zu halten.