Karte 1618

Seidenraupenzucht

Wie kein anderer preußischer Herrscher förderte Friedrich II. den Seidenbau, um Preußen von ausländischen Lieferungen unabhängig zu machen. Plantagen mit Maulbeer-Bäumen wurden angelegt, deren Laub den Seidenraupen als Futter diente, bis diese sich in ihre Kokons eingesponnen hatten, die an die Manufakturen zur weiteren Verarbeitung geliefert wurden. Dabei erwies sich in der Praxis "die Wartung der Seiden-Würmer" als der schwierigste Teil, an dem das ganze Unternehmen zu scheitern drohte. Denn die richtige Aufzucht und Pflege der Raupen aus den Eiern des Seidenspinners bombyx mori verlangte sehr spezielle Kenntnisse, viel Zeit und die richtigen Räumlichkeiten. Deshalb finden wir die erfolgreichen Züchter weniger unter der bäuerlichen Bevölkerung als vielmehr unter Lehrern, Pfarrern und Amtspersonen, die sich neben ihrer eigentlichen Tätigkeit noch diesem Nebenerwerb widmen konnten, doch musste auch da meist die ganze Familie mithelfen. Für die Aufzucht von 20 000 Raupen waren 200 Arbeitsstunden in fünf Wochen notwendig. Zuerst musste ein geeigneter Raum gefunden werden, denn die Raupen vertragen weder Zugluft noch Temperaturschwankungen, weder Lärm noch grelles Licht. Dann wurde der Raum mit Regalen ausgestattet, die in vier und mehr Etagen vom Boden bis zur Decke reichten. Die herausnehmbaren Horden bestanden aus einem festen Rahmen und einem möglichst luftigen Boden aus Schilf, Weide oder Stoff. Ende Mai, Anfang Juni wurden die Eier, Grains genannt, angeliefert und einer Temperatur von 25 °C ausgesetzt. Wenige Tage später schlüpften die jungen Raupen aus und in extra für sie hergestellte kleine Papierschachteln hinein. Gefüttert wurden sie zuerst fünfmal, dann drei- bis viermal am Tag mit den zarten, kleingehackten Trieben des Maulbeerbaumes. Erst die ausgewachsenen Raupen sind in der Lage, die großen, voll ausgebildeten Blätter zu fressen. Außerdem mussten die Raupen alle fünf bis sechs Tage umgebettet werden, zum einen, weil sie mehr Platz brauchten, zum anderen, um die Horden zu reinigen. Zum Wechsel bediente man sich eines Tricks: Auf die Raupen wurde ein mit Löchern versehener Papierbogen gelegt und mit frischem Laub bestreut. Die Raupen schlüpften durch die Löcher, um an das neue Futter zu kommen, und konnten mitsamt des Papiers abgehoben werden. Um 2 Lot (33,2 g), die etwa 30 000 Grains enthalten, auszulegen, benötigte man 4 m², doch kurz vor der Verpuppung beanspruchten die aus dieser Anzahl Eier ausgeschlüpften Raupen bereits 40 m² Fläche. Um den Platz besser auszunutzen, ging man zur Staffelzucht über, aber mehr als drei Schlupffolgen waren nicht möglich, zu eng der zeitliche Rahmen und zu kompliziert die verschiedenen Anforderungen an Futter und Klima. Die Raupen häuten sich alle 5 bis 6 Tage, nach der vierten und letzten Häutung, also etwa nach drei Wochen, fressen sie sich noch einmal für 8-9 Tage richtig satt, bevor sie daran gehen, sich einzuspinnen. Dafür wurden ihnen kleine "Spinnhütten" genannte Gestelle aus Reisig, Stroh oder Holz zur Verfügung gestellt. Mit dem Absammeln der Kokons und der Ablieferung in der Seidenhaspelei endete die Arbeit des Seidenraupenzüchters.

Der Seidenspinner mit Kokon

Der Seidenspinner mit Kokon