Karte 1866

Schutzhaft

Dasselbe wie Schutzgewahrsam, die vorübergehende Inhaftierung einer Person ohne Haftbefehl, zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben oder um die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat zu verhindern. Die Geschichte der Schutzhaft geht auf die Revolution von 1848 zurück, zu deren Niederschlagung die preußischen Behörden durch ein Gesetz vom 24. September 1848, das am 12. Februar 1850 noch einmal verschärft wurde, ermächtigt wurden, auch solche Personen zu inhaftieren, die keine Straftaten begangen hatten. Es genügte der Hinweis auf die bedrohte öffentliche Sicherheit und Ordnung. Diese Praxis von sogenannter Rechtsstaatlichkeit wurde so begründet, daß dies "zum Schutz der persönlichen Freiheit" der Betroffenen geschehe. Aufgrund des "Preußischen Gesetzes über den Belagerungszustand" vom 4. Juni 1851, das bis 1919 in Kraft blieb, konnte eine derartige Sicherungshaft sogar unbefristet sein. Außerdem war sie der richterlichen Kontrolle entzogen. Mit Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung am 11. August 1919 wurde das preußische Gesetz von 1851 aufgehoben, aber nicht das Faktum. An seine Stelle trat Art. 48 WRV Abs. 2. Die "Freiheit der Person", die unter bestimmten Umständen eine Zeitlang eingeschränkt werden konnte, wurde durch Art. 114 WRV geregelt. Eine Inhaftierung ohne Verurteilung oder dringenden Tatverdacht wurde auch in der Weimarer Republik 'Schutzhaft' genannt. In den ersten Krisenjahren der Weimarer Republik wurden 'Schutzhäftlinge', wobei es sich meist um Kommunisten handelte, in Lagern untergebracht, die Konzentrationslager genannt wurden. Obwohl es die Schutzhaft schon in der Weimarer Republik und vorher zur Ausschaltung mißliebiger politischer Gegner gab, ist sie zu einem Synonym für den NS-Terror zwischen 1933 und 1945 geworden, weil sie eines der schlagkräftigsten Instrumente zur Bekämpfung der Regimekritiker darstellte. Formaljuristische Grundlage war die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 ("Reichstagsbrandverordnung"). Die Reichsregierung wurde durch die Verordnung ermächtigt, alle zur Herstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und durchzusetzen. Damit war in Deutschland der zivile Ausnahmezustand geschaffen, der bis 1945 aufrechterhalten wurde. Mit der Aufhebung der Grundrechte durch die Verordnung wurde die Tätigkeit der Polizei keinerlei gesetzlichen Beschränkung mehr unterworfen. Es entzogen sich alle polizeilichen Maßnahmen, insbesondere die der durch den preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring am 26. April 1933 für Preußen errichteten Geheimen Staatspolizei (Gestapo), jeder gerichtlichen Nachprüfung. Außerdem wurden sofort bei der Machtübernahme 40.000 SA- und SS-Leute und 10.000 Stahlhelmleute zu Hilfspolizisten gemacht. Dieser reichlichen Personalaufstockung war es zuzuschreiben, daß sich im Juli 1933 bereits 26.789 Personen allein in Preußen in Schutzhaft befanden. Die Verhängung von Schutzhaft führte im Regelfall zur Einweisung in ein Konzentrationslager.