Arthur Schopenhauer
22.2.1788 in Danzig
21.9.1860 in Frankfurt am Main
Philosoph, Wissenschaftler
Arthur Schopenhauer wurde als erstes Kind des Großhandelskaufmanns und Hofrates Heinrich Floris Schopenhauer und seiner Ehefrau Johanna Henriette, geb. Trosiener, geboren und protestantisch getauft. Die ersten fünf Jahre seiner Kindheit lebt er mit den Eltern auf den Landsitzen in Oliva und Stut(t)hof. Die Annexion Danzigs durch Preußen veranlasste den republikanisch gesonnenen Vater Ende März 1793 zur Übersiedlung der Familie nach Hamburg. Nach der Geburt der Schwester Luise Adelaide Lavinia („ Adele“) im Sommer 1797 brachte der Vater den 10jährigen Arthur nach Le Havre, um ihn dort dem befreundeten Geschäftsmann Grégoire de Blésimaire für zwei Jahre in Pflege zu geben. Nach seiner Rückkehr im Sommer 1799 bis zum Frühjahr 1803 besuchte Arthur die Hamburger „Privaterziehungsanstalt“ unter der Leitung von Johann Heinrich Christian Runge. Im Mai 1803 starteten die Eltern eine Reise durch die Niederlande, England, Belgien, Frankreich, Schweiz und Österreich, von der sie erst im August 1804 wieder nach Hamburg zurückkehrten. Dem nunmehr 15jährigen Sohn Arthur nahmen sie gegen das Versprechen mit, sich „nachher ganz dem Kaufmannsstande zu widmen“. Es scheint jedoch, dass der privilegierte Jugendliche auf der Reise mit seinen Eltern nicht recht glücklich wurde, denn sein später in der Erinnerung gezogenes Resultat war, „dass diese Welt kein Werk eines allgütigen Wesens seyn könnte, wohl aber das eines Teufels, der Geschöpfe ins Daseyn gerufen, um am Anblick ihrer Qual sich zu weiden.“ Der Erwachsene hat die ersten Motive für sein am Buddhismus orientiertes Weltgefühl in den Bildern dieser frühen Europareise gesehen.
Zurück in Hamburg, begann Arthur im Januar 1805 die versprochene Lehre bei dem Großkaufmann und Senator Jenisch, bei dem er sich nicht wohl fühlte. Im April desselben Jahres nahm sich der Vater das Leben. Die Mutter löste 1806 den Hausstand auf und zog mit Adele nach Weimar, um dort Mittelpunkt eines großbürgerlichen Salons zu werden. Arthur blieb in Hamburg und suchte Trost und Aufmunterung durch den Besuch von Vorlesungen in Theologie und Phrenologie (= Lehre, dass aus der Schädelform auf bestimmte geistige Veranlagungen zu schließen sei). In dieser Zeit begann er seine überlieferten „Frühesten Aufzeichnungen' (1804-1818), in denen sich bereits Motive seiner späteren Philosophie finden.
Entgegen dem Wunsch des Vaters entschied Arthur im Frühjahr 1807, nicht Kaufmann zu werden, sondern versäumte Schulbildung nachzuholen und zu studieren. Gegen Ende seiner Gymnasialzeit in Gotha und Weimar wurde er Februar 1809 volljährig und erhielt seinen Teil aus dem väterlichen Erbe. Der junge Arthur Schopenhauer, der sich geweigert hatte, geschäftstüchtig zu werden und Geld zu machen, bekam jetzt ein Vermögen geschenkt, das ihn, obwohl bürgerlicher Herkunft, in den sonst dem Adel vorbehaltenen Stand der lebenslangen Musse versetzte. Er war befreit, konnte sich im Oktober 1809 in Göttingen immatrikulieren und Vorlesungen in Anatomie, Mathematik und Philosophie hören. Er fand dennoch „das Leben ist eine missliche Sache, ich habe mir vorgesetzt, es damit hinzubringen, über dasselbe nachzudenken“, und wechselte im Sommersemester ganz zur Philosophie über. Vom Herbst 1811 bis zum Frühjahr 1813 studierte Schopenhauer in Berlin bei Daniel Friedrich Schleiermacher und Johann Gottlieb Fichte. Aus den Randglossen seiner Vorlesungsmitschriften lässt sich eine eher gefühlsbetonte Rezeption der Vertreter des deutschen Idealismus erkennen. Zu Fichte wünschte er sich, ihm „eine Pistole auf die Brust setzen zu dürfen und dann zu sagen: Sterben musst du jetzt ohne Gnade“. Der „Tollheit mit Methode“, die er Fichte und später auch vehement Hegel unterstellte, war er selbst nahe, es fehlte ihm nur noch die Methode.
An der patriotischen Stimmung gegen Napoleon konnte sich Schopenhauer nicht erwärmen und zog sich im Sommer 1813 nach Rudolstadt (Thüringen) in eine Pension zurück, um seine Dissertation „Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“ zu schreiben, mit der er im Oktober in Jena promovierte. Goethe, dem er ein Exemplar zugesandt hatte, lud ihn nach Weimar ein, es entspann sich für mehrere Monate ein Gespräch über die Farbenlehre, an dessen Ende sich ihre Standpunkte nicht weiter angenähert, sondern entfernt hatten. Während dieses Aufenthaltes in Weimar wurde Schopenhauer von dem Indologen Friedrich Majer auf das „Upanishaden“ aufmerksam gemacht, und die hinduistische Lehre über Atman und Brahman, den Ursprung der Welt. Karma und die Erlösung aus dem Geburtenkreislauf wurde ihm zum „Trost seines Lebens“. Zum „Upanishaden“ kamen in Dresden von Mai 1814 bis September 1818 noch Platon- und Kantstudien hinzu. Im Mai 1816 erschien die als Weiterentwicklung von Goethes Farbenlehre konzipierte Schrift „Über das Sehn und die Farben“, die er später selbst ins Lateinische übersetzte. Er hatte auch bereits begonnen, an seinem Hauptwerk, „Die Welt als Wille und Vorstellung“, zu arbeiten, das im Dezember 1818 erschien. Er begab sich bis August 1819 auf eine Italienreise und kehrte nach Berlin zurück, um dort die akademische Lehrbefugnis zu erwerben. Im März 1820 hielt er im Beisein Hegels seine Antrittsvorlesung „Über die vier verschiedenen Arten der Ursachen“, in der er erkenntnistheoretische Figuren mit psychologischen Inhalten füllte, so dass ihm das kantische „Ding an sich“ zum „Willen an sich“, und die „Erscheinung“ zur „Vorstellung“ wurden. Der Titel seines Hauptwerkes enthielt bereits die programmatische These: „Die Welt ist Wille und Vorstellung“. Schopenhauer offenbarte sich dabei als Kantianer, verstand sich dabei als Rächer der Philosophie, der er „wieder zu ihrem früheren Glanze“ verhelfen wollte, doch reduzierte er ihre Fächervielfalt auf die Ethik. Gleichzeitig war er naturwissenschaftlich orientiert und meinte nicht den göttlichen Willen, sondern ein Naturgesetz, das er jedoch wiederum nicht vernünftig, sondern höchst irrational fand. Der Mensch, so Schopenhauer, leidet an seinem eigenen unendlichen Wollen und Begehren und kann dem nur in Askese und manchmal (abweichend von indischen und christlichen Vorbildern) in der Produktion von Kunst entkommen. Schopenhauer orientierte sich dabei an der griechischen „eudaimonia“ in den platonischen Dialogen, doch nahm er auch dieser Figur ihre erkenntniskritischen Funktionen und machte aus der sokratischen Ideenschau eine Psychologie für Künstler.
In Berlin legt er seine bis zum Wintersemester 1831/32 angekündigten Vorlesungen auf die gleiche Stunde wie Hegel, doch gewann er den Konkurrenzkampf um Studentenzahlen nicht. Sein Hauptwerk, das er bis zum Ende seines Lebens ergänzte und verbesserte, fand wenig Echo. Zwischen 1822 und 1825 war Schopenhauer die meiste Zeit auf Reisen, die ihn auch wieder in das geliebte Italien führten. 1831 gab er die Universität auf und floh aus Berlin vor der Cholera nach Frankfurt/Main, wo er bis zu seinem Tode wohnte. 1839 erhielt der Privatier eine erste Anerkennung, indem er auf die von der Königlich-Norwegischen Gesellschaft der Wissenschaft gestellte Preisfrage („Lässt sich die Freiheit des menschlichen Willens aus dem Selbstbewusstsein beweisen?“) seine Abhandlung „Über die Freiheit des menschlichen Willens“ einreichte und den 1. Preis erhielt, während eine andere seiner Schriften von der Königlich Dänischen Societät der Wissenschaften 1840 wegen ihrer Polemik gegen Philosophenkollegen abgelehnt wurde. Es begannen sich einige Schüler um ihn zu sammeln. 1851 gelang ihm mit der Veröffentlichung der „Parerga und Paralipomena“, mit der er sich einem breiteren Publikum verständlich machen wollte, ein später Erfolg, der jedoch auch den Zeitumständen zuzuschreiben war. Schopenhauer, der in der Revolution von 1848 nur linkshegelianische Machenschaften vermutete, war um sein Eigentum besorgt und setzte als politische Geste einen Opferfonds für die gefallenen Soldaten der Regierungstruppen als Universalerben in sein Testament ein. 1855/56 schrieb die philosophische Fakultät Leipzig die Preisfrage „Über die Prinzipien der Schopenhauer'schen Philosophie“ aus, womit sein Werk offiziell in den akademischen Kanon aufgenommen wurde. Arthur Schopenhauer starb am 21. September 1860 infolge eines Lungenleidens in seinem Arbeitszimmer in Frankfurt.