Erfurt 1850
Augustinerkirche
Im Barocksaal der heutigen Thüringer Staatskanzlei konstituierte sich am 20. März 1850 das "Parlament der Deutschen Union", das bis zum 29. April 1850 in der eigens umgebauten Erfurter Augustinerkirche tagte. Seit 1802 war Erfurt (mit einer Unterbrechung von 1806-1814) preußisch.
Die 585 Abgeordneten des Frankfurter Nationalversammlung hatten 1849 einen Kompromiss zwischen den monarchisch-konservativen und den liberal-demokratischen Abgeordneten gefunden. Erstmalig in der deutschen Geschichte wurden die Freiheits- und Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger formuliert und in einem Gesetzeswerk verankert.
Dieser Entwurf, der 1949 von der Paulskirchenversammlung verabschiedet worden war, sollte im Erfurter Augustinerkloster weiter beraten, in verschiedenen Punkten revidiert und schließlich verabschiedet werden.
Dieses Parlament war nur noch ein Rumpfparlament. Gegliedert war es in ein Staatenhaus - mit Vertretern der Regierungen und Kammern der Einzelstaaten - und in ein Volkhaus, deren Abgeordnete aus den Wahlen hervorgegangen waren. Verschiedene Staaten, darunter vor allem Österreich, und insbesondere die demokratischen Gruppen nahmen an den Beratungen nicht mehr teil. Gerade die Demokraten lehnten dieses Parlament ab, weil es durch Wahlen auf der Basis des undemokratischen Dreiklassenwahlrechtes zusammengekommen war.
Die Versammlungen, an denen prominente Vertreter der Paulskirchenversammlung teilnahmen - unter anderem der Präsident der Frankfurter Nationalversammlung, Simson -, waren geprägt von einer ständigen Kontroverse zwischen den Einheitsbefürwortern um die Liberalen der "Gothaer Partei" und den Einigungsgegnern um die Altpreußen (Bismarck), die Hochkonservativen und die Ultramontanen.
Mit der "Punktation von Olmütz" zwischen Preussen und Österreich im November 1850 scheiterten die Einheitsbestrebungen und damit auch die "Erfurter Verfassung". Der hoffnungsvolle Versuch Erfurts, im deutschen Einigungsprozess eine herausgehobene Stellung einzunehmen, war damit vorläufig beendet.