Gerhart Hauptmann
15.11.1862 in Ober-Salzbrunn/Schlesien
6.6.1946 in Agnetendorf/Schlesien
Der junge Gerhart Hauptmann, Sohn des Hotelbesitzers Robert Hauptmann und dessen Frau Maria, erlebte Dorf- und Realschule als Pein, schon nach vier Jahren wurde er 1878 Landwirtschaftslehrling in Lohnig, später in Lederose. Dort prägte ihn herrnhutischer Geist. Für schöngeistige Interessen auch von Bruder Carl angeregt, nahm Gerhart Hauptmann auf, was das Denken vieler seiner Zeitgenossen, vor allem das Denken der jungen Naturalisten prägte, u.a. Ludwig Büchners „Kraft und Stoff“. Den Beruf des Landwirts gab er aus gesundheitlichen Gründen auf. Hauptmann fühlte sich zum Bildhauer berufen und studierte ab Oktober 1880 knapp ein Jahr an der Breslauer Kunstakademie. Auch die Universität Jena verließ er ohne Abschluß, im Herbst 1883 ließ er sich in Rom als Bildhauer nieder. Seinen Lebensunterhalt sicherte seine Verlobte und spätere Ehefrau, die Großkaufmannstochter Marie Thienemann. Während der Hochzeitsreise 1885 lernte Hauptmann die Insel Hiddensee kennen, die ihm im Laufe seines Lebens zur zweiten Heimat wurde.
Als Bildhauer bleibt Hauptmann glücklos. Nach der Heirat Marie Thienemanns zieht das junge Paar nach Erkner bei Berlin. Aus der Ehe gehen drei Söhne hervor. In Berlin pflegt Hauptmann Kontakt mit dem naturalistischen Berliner Dichterverein „Durch!“. Hauptmann ist begeistert von Ibsens „Gespenstern“ - der Dichter beeinflusst ihn in seinen ersten naturalistischen Arbeiten, den Novellen „Fasching“ (1887) und "Bahnwärter Thiel" (1888) stark.
Hauptmann vereint die naturalistische Methode mit sozialen Inhalten. In dem 1889 gegründeten Verein „Freie Bühne“ (eine für die naturalistische Dramatik gegründete Institution) kam es im gleichen Jahr zur skandalumwitterten Uraufführung des sozialkritischen Dramas „Vor Sonnenaufgang“. Mit diesem Stück wurde Hauptmann zu einem führenden Dramatiker der Moderne.
In den neunziger Jahren wohnte Hauptmann mit seinem Bruder Carl in Mittelschreiberhau (Niederschlesien). Hier entstand eine der erfolgreichsten deutschen Komödien „Der Biberpelz“ (1893). Nach einer Reise ins schlesische Webergebiet stellte er sein bedeutendstes Werk, das gesellschaftskritische Drama „Die Weber“, zunächst im schlesischen Dialekt als „De Waber“ fertig. Die Uraufführung fand im Jahr 1893 statt. Kaiser Wilhelm II. kündigte nach der Berliner Uraufführung im Deutschen Theater seine dortige Loge, außerdem wurde die Aufführung durch den Berliner Polizeipräsidenten verboten. Zwei Jahre später brüskierte Wilhelm II. Gerhart Hauptmann mit der Verleihung der niedrigsten Stufe des Roten Adler-Ordens (IV. Klasse).
Nach der Trennung von seiner Frau im Jahr 1894 siedelte Hauptmann fünf Jahre später mit seiner neuen Bekanntschaft, der Musikerin Margarete Marschalk, nach Agnetendorf (Riesengebirge/ Schlesien) in das neu erbaute „Haus Wiesenstein“ über. 1904 erfolgte die Heirat, kurz darauf wurde ein weiterer Sohn geboren.
1905 lernte Gerhart Hauptmann die sechzehnjährige Schauspielerin Ida Orloff kennen. Die Beziehung endete im Sommer 1906, wirkte aber in zahlreichen Werken, am deutlichsten in „Und Pippa tanzt!“ (1906) nach. Mit Hauptmanns unerfülltem Wunschbild, mit mehreren Frauen gleichzeitig leben zu können - der Graf von Gleichen war sein Vorbild - tritt Ida Orloff literarisch neben Marie und Margarete: Das trifft vor allem für den Roman „Die Insel der Großen Mutter“ (1924) und das Epos „Der große Traum“ (1942/1964) zu, eines der bedeutendsten Werke des Dichters.
Im Fischer-Verlag erschien schon 1906 eine sechsbändige Gesamtausgabe seiner Werke.
Gerhart Hauptmann war inzwischen zu einem der erfolgreichsten deutschen Dramatiker und Schriftsteller geworden: 1905 erhielt er zum dritten Mal den Grillparzer-Preis, 1912 dann den Literatur-Nobelpreis.
Während der Novemberrevolution 1918 veröffentlichte das „Berliner Tageblatt“ eine von zahlreichen Intellektuellen und Künstlern unterschriebene Erklärung Gerhart Hauptmanns, in der die Bereitschaft der Kunstschaffenden bekundet wird, am Neuaufbau mitzuwirken. Hauptmann setzt sich aktiv für die junge Weimarer Republik ein. Er war für diese Republik, diese für ihn; sie verlieh erstmals den Adlerschild des Deutschen Reiches (1922) an ihn. Im August 1922 fanden in Breslau die ersten Gerhart-Hauptmann-Festspiele statt. Zur Enttäuschung vieler Zeitgenossen äußerte sich Hauptmann jedoch nicht zum Nationalsozialismus und zog sich zwar weitgehend aus dem öffentlichen Leben zurück, verweigerte aber nicht öffentliche Ehrungen für ihn. Seine Werke werden weiter veröffentlicht, aufgeführt und verfilmt. Von 1940-1944 entstand sein großes Alterswerk „Die Atriden-Tetralogie“. In der Novelle „Mignon“ (1943) skizziert Hauptmann eine fiktive Begegnung mit Goethe.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schützte ein polnischer Schutzbrief den Dichter und sein „Haus Wiesenstein“. Am 6. Juni 1946 starb Gerhart Hauptmann in Agnetendorf. Am 21. Juli traf ein Sonderzug mit dem Leichnam in Berlin ein. Am Sonntag, dem 28. Juli 1946, wurde Gerhart Hauptmann bei Sonnenaufgang auf dem Friedhof von Kloster auf der Insel Hiddensee beigesetzt.