Konservative Revolution
Durch eine Rede Hugo von Hofmannsthals im Jahre 1927 wurde die paradoxe Wortkombination zum politischen Schlagwort. 1949 hat der Schweizer Historiker Armin Mohler, Privatsekretär Ernst Jüngers, den Begriff in die Geschichtswissenschaft eingeführt, um jene Theoretiker in der Zeit zwischen 1918–1933 zusammenzufassen, deren Vertreter die Weimarer Republik ablehnten und sich für einen autoritären Staat einsetzten, von dem allerdings nicht immer eindeutig zu entscheiden war, ob es sich dabei um eine rechts- oder linksgerichtete Diktatur handeln sollte. Die Vertreter der konservativen Revolution lassen sich zwar, wie Mohler das unternommen hat, einem politischen Spektrum zuordnen und nach ihren Zielen in fünf Gruppen – die Völkischen, die Jungkonservativen, die Nationalrevolutionäre (Nationalbolschewisten), die Bündischen und die Landvolkbewegung – einteilen, doch bleibt ihr Anliegen institutionell schwer fassbar, weil sie sich nie in einer Partei organisierten. Sie hatten keine Sympathien für das alte Kaiserreich und forderten nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs eine "neue abendländische Einheit unter deutscher Führung". In ihren sozialromantischen, antiparlamentarischen und antidemokratischen Tendenzen wurden Gruppen der Konservativen Revolution zu geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus. Es beginnt 1920 mit Ernst Jünger, dessen Tagebuchskizze "In Stahlgewittern", in der er seine Kriegserlebnisse zur Schützengrabengemeinschaft ästhetisiert, großen Erfolg hatte. Sein Artikel "Revolution und Idee" erschien 1923 im "Völkischen Beobachter". Im selben Jahr erschien das Buch von Arthur Moeller van den Bruck, dessen Titel "Das dritte Reich" (1923) von den Nationalsozialisten als politisches Schlagwort übernommen wurde. Wesentliche Impulse gingen von der Kulturphilosophie Oswald Spenglers aus, die er in seinem zweibändigen Hauptwerk "Der Untergang des Abendlandes" (1918-1922) entwickelte. Wichtig war auch die von Edgar Jung 1928 veröffentlichte Schrift "Die Herrschaft der Minderwertigen. Ihr Zerfall und ihre Ablösung durch ein neues Reich". Nicht zu übersehen, aber schwer zu fassen ist der Einfluß, den Ernst Niekisch (1889-1967) als eine der zentralen Figuren der konservativen Revolution auch auf den linken Flügel der NSDAP um Gregor Strasser und Ernst Röhm ausübte. Als Herausgeber der Zeitschrift "Der Widerstand" vertrat er eine Synthese von extremem Nationalismus und revolutionär-sozialistischen Elementen, und dieses “nationalbolschewistische“ Programm brachte ihn ebenso wie Strasser und Röhm in einen immer stärker werdenden Gegensatz zum rechten Flügel der NSDAP, vertreten durch Adolf Hitler, zu dem er schließlich in offene Opposition tritt. Sprachrohr der Bewegung wurde die Zeitschrift “Die Tat - Monatsschrift für die Zukunft deutscher Kultur“ des Verlegers Eugen Diederichs, die eine esoterisch-romantische Ausrichtung mit konkreten Forderungen nach deutschem Volksstaat und Volksgemeinschaft und dem geistigen Kampf gegen Demokratismus, Parlamentarismus und Materialismus verband. Im Oktober 1929 trat Verleger Diederichs mit der Verkündung eines neuen, stärker problemorientierten und von jungen Kräften getragenen journalistischen Programms an die Leserschaft heran und benannte seine Publikation im Untertitel in “Unabhängige Monatsschrift zur Gestaltung neuer Wirklichkeit“ um. Führender Kopf dieser neuen Garde wurde Hans Zehrer (1899-1966), der mit seinen Stammautoren Ferdinand Fried (mit bürgerlichem Namen Ferdinand Friedrich Zimmermann) und dem ganz jungen Giselher Wirsing eine Synthese von Nationalismus und Sozialismus proklamierte und die Ideen von Wichard von Moellendorff, Spengler und Arthur Moeller van den Bruck weiterentwickelte. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 war die Frage nach dem neuen Staat und der neuen Gesellschaftsordnung beantwortet, und mit dem Röhm-Putsch 1934 wurden die ideologischen Richtungskämpfe der Revolution von Adolf Hitler gewaltsam entschieden.