14. August 1914 Die Mehrheit der Arbeiterbewegung schließt sich der allgemeinen Kriegsbegeisterung an
Trotz des allgemeinen nationalen Taumels während der unmittelbaren Kriegsvorbereitung kam es dennoch in vielen Städten zu Antikriegsdemonstrationen und Massenversammlungen der Arbeiterschaft.
Wilhelm II. ist in Unruhe:
„Die Sozen machen antimilitaristische Umtriebe in den Straßen, das darf nicht geduldet werden, jetzt auf keinen Fall“
Doch die Sorge des Kaisers ist unbegründet. Die Führung der deutschen Sozialdemokratie erweist der nationalen Politik der preußisch-deutschen Monarchie ihre Gefolgschaft. Der ordnungsgemäße Ablauf der Mobilmachung ist gesichert. Eine parlamentarische Hürde gilt es dennoch zu überwinden: die Bewilligung der Kriegskredite durch den Deutschen Reichstag. Bisher haben die sozialdemokratischen Abgeordneten bei jeder Haushaltsdebatte das Militärbudget in Bausch und Bogen abgelehnt. „Diesem System keinen Mann und keinen Groschen“ hat der alte Bebel seinen Genossen zugerufen, und die Partei hat sich danach gerichtet.
In der Reichstagssitzung vom 4. August 1914 stimmen jedoch auch die - bisher oft als „ vaterlandslose Gesellen“ bezeichneten - Sozialdemokraten einstimmig für die Gewährung von Kriegskrediten. Die SPD-Fraktion begründet dies mit dem Recht auf Selbständigkeit eines Volkes und seine Verteidigung im Kriegsfall. „Gegen den aggressiven und reaktionären Zarismus“ hat die SPD den „Burgfrieden“ geschlossen, also die Einstellung des „Klassenkampfes“ gegen Regierung und Arbeitgeber. Nun gilt es, diesen Staat in der „Stunde der Gefahr“ zu verteidigen, das „Blut des eigenen Volkes“ zu vergießen:
„Unsere heißen Wünsche begleiten unsere zu den Fahnen gerufenen Brüder ohne Unterschied der Partei. (Lebhaftes allseitiges Bravo!' und Händeklatschen)... Für unser Volk und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Sieg des russischen Despotismus, der sich mit dem Blute des eigenen Volkes befleckt hat (Lebhafte Rufe Sehr wahr!' bei den Sozialdemokraten), viel, wenn nicht alles auf dem Spiel. (Erneute Zustimmung) Es gilt, diese Gefahr abzuwehren, die Kultur und die Unabhängigkeit unseres eigenen Landes sicherzustellen. (Bravo!') Da machen wir wahr, was wir immer betont haben: Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. (Lebhaftes Bravo!') Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jeden Volkes auf nationale Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat...“ (Erklärung der SPD-Fraktion, 4.8.1914)
Die unerwartet starke Geschlossenheit aller politischen Lager bringt Kaiser Wilhelm II. im Reichstag mit dem Wort „Ich kenne keine Parteien mehr, kenne nur noch Deutsche“ auf den Punkt.
Die radikale Linke innerhalb der deutschen Sozialdemokratie wendet sich gegen die Fortsetzung der Kriegspolitik. Am 1. Januar 1916 gründen sie die „Gruppe Internationale“, kurze Zeit später umbenannt in „Spartakusbund“. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind ihre Führer. Auch der gemäßigte linke Parteiflügel lehnt ab Dezember 1915 weitere Kriegskredite ab und widerspricht einer Fortsetzung der Burgfriedenspolitik. 18 Abgeordnete werden deshalb 1916 aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen. Sie gründen die „Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft“, aus der im April 1917 die Unabhängige Sozialdemokratischen Partei (USPD) hervorgeht, ihr Vorsitzender wird Hugo Haase.
Aus dem Spartakusbund entsteht während der Novemberrevolution schließlich die Kommunistische Partei Deutschlands (1.1.1919). Die Gegner- bzw. Feindschaft der aus dem linken Lager hervorgegangenen Arbeiterparteien wird in erheblichem Maße die politischen Kämpfe der Weimarer Republik prägen.